Justizministerin Lambrecht verspricht höhere Anwaltsgebühren
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© NJW (Archiv)

Heute hat der Virtuelle Deutsche Anwaltstag 2020, der unter dem Motto "Die Kanzlei als Unternehmen“ steht, seine digitalen Pforten für Webinare, Videos und Live-Streams geöffnet. Der Deutsche Anwaltverein, Veranstalter des zentralen Branchentreffens, zählte bis heute morgen über 2.000 Anmeldungen. Zuvor war diese Marke erst einmal übersprungen worden – 1989 beim 45. Deutschen Anwaltstag in München. Ein Top-Thema der Eröffnungsreden war die erwartete Erhöhung der Anwaltsgebühren.

Fremdeln mit dem Unternehmertum

In der Begrüßungsrede von Verbandspräsidentin Edith Kindermann wurde deutlich, dass der Berufsstand mit dem Unternehmertum noch immer fremdelt. Kindermann berichtete von Kritik am Generalthema des Anwaltstags, weil unternehmerische Tätigkeit aus Sicht mancher Kolleginnen und Kollegen dem Berufsethos widerspreche. Die Präsidentin erinnerte auch daran, dass noch Mitte der 1990er Jahre das Erscheinen eines Buchs mit dem Titel "Wirtschaftsunternehmen Anwaltskanzlei“ für einen kleinen Skandal sorgte. Dabei sei es selbstverständlich, so Kindermann, dass Anwälte zur Wahrnehmung der Interessen ihrer Mandanten "ein Unternehmen, eine Struktur“ brauchen.

Keine totale Kommerzialisierung

Damit sei auch klar, was den freien Beruf vom freien Unternehmertum unterscheide: Die Kanzlei sei kein Selbstzweck, sondern ihr Betrieb sei das Mittel zur Ausübung des Berufs. Die Anwaltschaft sei als Organ der Rechtspflege in ihrer Gesamtheit verpflichtet, diese zu sichern und den Rechtsuchenden flächendeckenden Zugang zum Recht zu verschaffen. Eine totale Kommerzialisierung, die darauf abziele, mit der anwaltlichen Tätigkeit den größtmöglichen Ertrag zu erzielen, sei mit dieser Rolle unvereinbar. Der Anwalt arbeite auch, um damit Geld zu verdienen, so Kindermann. Maßstab für die anwaltliche Tätigkeit sei aber nicht in erster Linie der Profit, sondern die Einhaltung der Core Values der Anwaltschaft.

Reformen im Berufsrecht

Die Präsidentin machte deutlich, dass die Anwaltschaft ihre unternehmerische Ausrichtung ständig an den Wandel in der Gesellschaft anpassen müsse. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass der Berufsstand auch auf sehr schnelle und große Herausforderungen und Veränderungen gut reagieren könne. Die Krise habe aber zugleich deutlich gemacht, dass die Rahmenbedingungen für die anwaltliche Tätigkeit an die Realität angepasst werden müssten. Kindermann mahnte daher, die angekündigte Reform der BRAO zügig umzusetzen. Das Berufsrecht müsse stärker an die Berufsausübungsgesellschaften anknüpfen, weil Anwälte ihren Beruf ganz überwiegend in dieser Form ausübten. Kindermann forderte zudem ein Kanzleiregister, um mehr Transparenz für die Verbraucher zu schaffen.

Gebührenerhöhung zum Jahreswechsel?

Außerdem plädierte Kindermann für die Etablierung sogenannter Praxisnetze, vergleichbar dem Modell bei Ärzten. Nach ihrer Vorstellung bündeln diese Praxisnetze in eigenständigen Gesellschaften die gesamte Logistik (IT, Mitarbeiter, Know how). Jeder Berufsangehörige, der sich diesem Netz anschließe, übe seine Tätigkeit aber originär eigenständig aus. Zum Schluss erneuerte die Verbandschefin erwartungsgemäß die Forderung nach einer schnellen Gebührenanpassung: Spätestens am 01.01.2021 müsse diese im Bundesgesetzblatt stehen.

Einigung zwischen Politik und Verbänden

Der Wunsch fand Widerhall bei Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. Die SPD-Politikerin sagte in ihrem ebenfalls als Video verbreiteten Grußwort: "Trägerinnen und Träger unseres Rechtsstaats sind natürlich auch Sie, die Anwältinnen und Anwälte – und auch Sie müssen mit Ihrer Tätigkeit auskömmlich Geld verdienen können." Daher begrüße sie es, dass sich die Landesjustizverwaltungen und die Anwaltsverbände auf eine Anhebung der Rechtsanwaltsgebühren verständigt hätten. Sie habe ihr Haus angewiesen, einen Gesetzentwurf zur Anpassung des RVG zu erarbeiten, der diese Einigung zügig umsetzt.

Corona-Krise und der Rechtsstaat

Auch die aktuelle Pandemie – Grund für die Verlagerung des Anwaltstags ins Internet – sprach die Ressortchefin an. "Die Corona-Krise ist – jedenfalls in Deutschland – keine Rechtsstaatskrise", beteuerte sie. Zwar seien die Grundrechte umfassender eingeschränkt worden als jemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Aber dies sei ausschließlich mit dem Ziel geschehen, Leben und Gesundheit zu schützen. Auch seien diese Maßnahmen so bald wie möglich gelockert worden und unterlägen der Kontrolle durch unabhängige Gerichte.

Kampf gegen "Hass und Hetze"

Eine andere große Herausforderung sei nicht erst nach den Anschlägen von Hanau und Halle sowie dem Mord an dem früheren CDU-Politiker Walter Lübcke der Kampf gegen Rechtsextremismus. Lambrecht verwies hierzu auf ihre aktuellen Gesetzentwürfe, um "Hass und Hetze" im Internet effektiver verfolgen und bestrafen zu können.

Redaktion beck-aktuell, Tobias Freudenberg ist Schriftleiter der NJW, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der Schriftleitung, 15. Juni 2020.