Weltweit gibt es inzwischen rund 2,5 Millionen Podcasts. In Deutschland sollen es etwa 60.000 sein. Auch Juristinnen und Juristen ziehen inzwischen nach und produzieren juristische Inhalte fürs Ohr. Am bekanntesten sind dabei mit Sicherheit die Angebote der großen Medienhäuser und Verlage. Neben dem wöchentlichen Format „Gerechtigkeit und Loseblatt - Die Woche im Recht“ von beck-aktuell und der NJW produziert Legal Tribune Online (LTO) seit März 2024 alle 14 Tage den Podcast „Die Rechtslage“. Zu den etabliertesten Angeboten auf dem Markt gehören aber auch FAZ Einspruch – der Podcast mit inzwischen über 300 Episoden und "Die Justizreporter:innen" aus der ARD-Rechtsredaktion.
All diese Podcasts haben eines gemeinsam: Sie diskutieren aktuelle rechtliche Probleme und die neusten Gerichtsentscheidungen. Dabei richten sie sich aber häufig weder direkt an Jurastudierende noch geht es inhaltlich immer um besonders prüfungsrelevante Themen. Vielmehr eignen sich diese Jura-Podcasts für die juristische Allgemeinbildung, zur Schärfung der Jurisprudenz und um auf dem Laufenden zu bleiben.
Hände voll, Kopf frei? Zeit für einen Podcast!
Die Welt der Jura-Podcasts hat aber noch viel mehr zu bieten. Wäre es nicht schön, wenn man eine verpasste Vorlesung einfach zu Hause im Bett nachhören könnte? Bei der Hausarbeit, beim Sport oder im Auto – immer dann, wenn man die Hände voll, aber den Kopf frei hat? Das ist kein Wunschdenken: Inzwischen produzieren auch Professorinnen, Anwälte und Repetitorien ihre eigenen Podcasts. Zugeschnitten auf den Prüfungsstoff der Examina, leicht verdaulich und kurzweilig.
Im „Räuberischen Espresso“, dem Strafrechts-Podcast der Ausbildungszeitschrift JA, die ebenfalls im Verlag C.H. Beck erscheint, sprechen Prof. Dr. Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu (Universität des Saarlandes) und Dr. Florian Nicolai auf unterhaltsame Art und Weise über aktuelle Fragestellungen aus dem Strafrecht. In 50 Episoden geht es um Straftaten auf dem Fußballplatz, Love Scamming, Flugreisen und vieles mehr. Besprochen werden dabei hauptsächlich examensrelevante Delikte sowie allgemeine Fragestellungen rund um die mündliche Prüfung oder das Promovieren.
Echtes WG-Feeling kommt im Podcast „Das letzte Wort“ auf. Denn die Hosts Prof. Dr. Till Zimmermann (Uni Düsseldorf) und Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi (Uni Trier) teilten sich zeitweise sogar eine Wohnung! Wo immer sie zusammentreffen – im Büro oder in der WG-Küche –, wurde intensiv diskutiert: meistens kenntnisreich über das Strafrecht. Die 20. Folge des Podcasts erschien im Februar 2024. Obwohl der Jura-Podcast inzwischen leider eingestellt wurde, lohnt sich auch heute noch jede einzelne Episode.
Doch was wäre, wenn man dem Jura-Podcast nicht nur passiv zuhören, sondern sich sogar selbst an einem beteiligen könnte? Dieses Konzept verfolgt der Podcast „fLAWless“ der Universität Jena. Hier werden die Jurastudierenden selbst aktiv und besprechen examensrelevante Gerichtsentscheidungen aus wechselnden Rechtsgebieten. Betreut wird das Projekt von Jun.-Prof. Dr. Anika Klafki.
Legendenstatus erreichte der Münchner Juraprofessor Dr. Stephan Lorenz unter Jurastudierenden übrigens nicht dank seiner zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen, sondern durch seine Vorlesungsmitschnitte. Bereits seit 2011 zeichnet er im Rahmen des Programms „LMU on iTunes U“ seine Vorlesungen (Audio und Powerpoint-Folien) auf. Seinen Grundkurs Zivilrecht, die Vorlesungen zum Internationalen Privatrecht und zum Erbrecht kann man so nicht nur in den Hallen der LMU München genießen, sondern auch zu Hause auf dem Sofa.
Nach dem Studium ist vor dem Ref!
Wer es – mit oder ohne Podcasts – durch das Jurastudium geschafft hat, landet dann meistens im Rechtsreferendariat. Und hier geht die Lernerei von vorne los. Gut, dass inzwischen auch einige Ausbilderinnen und Ausbilder zum Mikrofon greifen und Tipps zum Lernen im Ref und zu den einzelnen Stationen geben.
Mit „RefPod“ bietet das OLG Hamm den Referendarinnen und Referendaren ein Magazin zum Hören. In zeitgemäßen Formaten kommen alle Themen zur Sprache, die im Ref wichtig sind. Host ist Richter am LG Christian Walz, der auch als hauptamtlicher AG-Leiter am OLG Hamm tätig ist. Inzwischen gibt es knapp 40 Episoden. In einer der neuesten Folgen wurde sogar auf die Fragen der Hörerinnen und Hörer eingegangen. Wie finde ich gute Klausuren zum Üben? Wie lerne ich am besten im Referendariat? Und wie gehe ich mit dem ganzen Stress um?
Ergänzend kann im Ref aber auch der Podcast "strafstation.berlin" der Staatsanwaltschaft Berlin herangezogen werden. Dieser ordnet strafrechtliche Fälle juristisch ein und erläutert die Hintergründe. In vergangenen Folgen ging es beispielsweise um Cybercrime, Sexualdelikte, Hooligans und häusliche Gewalt.
2019 startete Christian Konert den zivilrechtlichen Ausbildungspodcast „AG-Zivilrecht“, der sich gerade in Coronazeiten wachsender Beliebtheit erfreute. Christian Konert ist unter anderem Mitglied des LJPA Sachsen-Anhalt und nebenamtlicher AG-Leiter. AG Zivilrecht hat inzwischen 59 Folgen und wird seit 2020 durch den Podcast „AG Strafrecht“ ergänzt. Die Podcasts können parallel zu den beiden Stationen angehört oder als Wiederholung in der Examensvorbereitung genutzt werden.
Sind Podcasts ein ernstzunehmendes Lernmedium?
Kann ein Podcast aber wirklich eine Vorlesung oder ein Lehrbuch ersetzen? Hier gehen die Meinungen auseinander. Die verschiedenen Vor- und Nachteile des Lernmediums liegen dabei ganz klar auf der Hand.
Es gibt Studierende, die eher durch auditives Lernen angesprochen werden. Sie profitieren davon, sich den Unterrichtsstoff anhören zu können, statt ihn in einem Lehrbuch nachlesen zu müssen. Der große Vorteil bei Podcasts liegt darin, dass sie zeit- und ortsunabhängig konsumiert werden können. Wem die Vorlesung morgens um acht zu früh ist, kann sich einen Podcast ganz gemütlich mit einem Kaffee gegen zehn Uhr auf dem Balkon anhören. Wer eine Veranstaltung wegen eines Zahnarzttermins verpasst oder die Kinder aus der Kita abholen muss, kann sich die Inhalte im Wartezimmer anhören, oder dann, wenn die Kinder im Bett sind. Ist man unaufmerksam und verpasst einen Satz, kann man einfach zurückspulen und sich die Erklärung zur Baumbach‘schen-Formel so oft anhören, bis man sie (endlich) verstanden hat. Podcasts können aber auch Abwechslung in den Lernalltag bringen. Sitzt man nur stundenlang in Vorlesungen oder hat man gerade 200 Seiten in einem Lehrbuch verschlungen, ist einem oft nach etwas anderem zumute. Ein Spaziergang mit den Definitionen zum Strafrecht AT im Ohr kann hier Wunder wirken. Didaktisch gut gemachte Podcasts, die Geschichten erzählen, von einer angenehmen Stimme vorgetragen werden oder sogar eine emotionale Bindung zum Host oder zum vermittelten Stoff schaffen, sorgen dafür, dass Studierende sich die Inhalte besser einprägen und länger merken können.
Umgekehrt ist aber auch klar, dass das Staatsexamen nicht nur durch den passiven Konsum des Lernstoffs in Form von Jura-Podcasts bestanden werden kann. Audio-Inhalte laden gerade dazu ein, gedanklich abzuschweifen und sich „berieseln“ zu lassen. Hört man nur mit halbem Ohr zu oder ist man durch die Tätigkeit im Haushalt abgelenkt, kann man nicht erwarten, dass die vermittelten Inhalte lange im Gedächtnis bleiben. Zudem fehlt es an der oft notwendigen Strukturierung und Visualisierung der Inhalte (z.B. mit Hilfe eines Schemas oder einer Skizze).
Jurastudierende sowie Referendarinnen und Referendare sollten dies beim Lernen mit Podcasts berücksichtigen. So kann es bereits helfen, weitere Ablenkung z.B. durch das Scrollen am Handy zu unterbinden oder sich während des Hörens kurze Notizen zum Inhalt der Podcastfolge zu machen. Am besten zieht man Jura-Podcasts ergänzend und in Kombination mit anderen Lernmaterialien heran.
Am Ende des Tages entscheidet aber jeder selbst, ob das Anhören von Podcasts eine bloße Nebenbeschäftigung sein soll oder ob man die Jura-Podcasts als ernsthaftes Wiederholungsinstrument in den Lernalltag integriert.
Die Autorin Jannina Schäffer ist Gründerin und Chefredakteurin des Online Magazins "JURios – kuriose Rechtsnachrichten". Die Volljuristin hat berufsbegleitend an der Deutschen Hochschule der Polizei promoviert und ist Lehrbeauftragte an der FernUni Hagen.