Zu Unrecht Inhaftierte sollen höhere Entschädigung bekommen

Das Kabinett hat einen Ent­wurf zur Re­form der Haft­ent­schä­di­gung beschlossen. Da­nach soll die Ent­schä­di­gungs­pau­scha­le von 75 auf 100 Euro pro Tag stei­gen, bei län­ge­rer Haft sogar auf 200 Euro. Auch eine kostenlose anwaltliche Beratung ist vorgesehen.

Wer zu Unrecht in Haft war, ist gemäß § 7 Abs. 3 StrEG finanziell zu entschädigen. Pauschal soll es dafür künftig 100 Euro pro Tag statt wie bisher 75 Euro geben – und ab einer Haftdauer von sechs Monaten sogar 200 Euro pro Tag. Denn: Bei längeren Haftstrafen seien die Auswirkungen des Freiheitsentzugs und die daraus folgenden Belastungen besonders gravierend, so das Bundesjustizministerium (BMJ).

"Auch in einem leistungsfähigen Rechtsstaat kommt es vor, dass Menschen letztlich zu Unrecht inhaftiert werden", sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Es sei ein Gebot der Gerechtigkeit, dass Betroffene eine angemessene Entschädigung erhielten.

Anspruch auf kostenlose anwaltliche Erstberatung

Die geplante Reform sieht auch einen leichteren Zugang zu anwaltlicher Beratung vor. "Hier soll es einen Anspruch auf eine kostenlose Erstberatung geben", so Buschmann. Bei dieser Beratung soll geklärt werden, ob die betroffene Person über die Haftentschädigung hinausgehende Ersatzansprüche geltend machen kann. Dazu kann auch die Frage gehören, ob den Betroffenen für die Vertretung im weiteren Verfahren Unterstützung zusteht (sogenannte Beratungshilfe).

Längere Antrags- und Klagefristen und bessere Rehabilitierung

Betroffene sollen zukünftig zudem mehr Zeit haben, um ihre Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Sie sollen künftig beispielsweise zwei Monate Zeit haben, um eine gerichtliche Entscheidung über die Entschädigungspflicht zu beantragen. Für den Antrag auf die Entscheidung über den konkreten Entschädigungsbetrag sollen Betroffene künftig bis zu einem Jahr Zeit haben. Wer gegen die Entscheidung über den Entschädigungsanspruch klagen will, soll dies innerhalb von sechs (statt bisher drei) Monaten tun müssen.

Zu Unrecht Inhaftierte sollen im Fall der Wiederaufnahme eines Strafverfahrens mit erneuter Hauptverhandlung besser rehabilitiert werden: Im Erfolgsfall sollen sie nach dem Gesetzentwurf der Regierung verlangen können, dass die Aufhebung des früheren Urteils öffentlich bekannt gemacht wird. Dazu soll die StPO geändert werden. Die Bekanntmachung soll im Bundesanzeiger und – nach dem Ermessen des Gerichts – auch auf andere geeignete Weise erfolgen.

Keine Abzüge für "Kost und Logis"

Neben der Entschädigungspausche steht zu Unrecht Inhaftierten unter Umständen zudem ein Ersatz erlittener Vermögensschäden gemäß § 7 Abs. 2 StrEG zu. Mit der Reform soll nun klargestellt werden, dass der Schadensersatzanspruch von Betroffenen für Vermögensschäden nicht deshalb schrumpft, weil ersparte Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung angerechnet werden.

Das Ministerium geht davon, dass jährlich im Schnitt bundesweit etwa 800 Menschen von den erhöhten Entschädigungsleistungen profitieren werden. Da Fälle unrechtmäßiger Strafhaft selten sind, betreffen die meisten Fälle Entschädigung für letztlich zu Unrecht verbüßte Untersuchungshaft – etwa wenn das Verfahren eingestellt wird oder die Betroffenen in der Hauptverhandlung freigesprochen werden.

Das Gesetz ist im Bundesrat zustimmungspflichtig, denn die Haftentschädigung zahlen grundsätzlich die Bundesländer. Buschmann rechnet jedoch nicht mit Widerstand aus der Länderkammer. Man habe die Länder zu den Eckpunkten des Vorhabens vorab eingebunden, so der Minister.

Redaktion beck-aktuell, dd, 6. November 2024 (ergänzt durch Material der dpa).

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