Mehr Verfahren für Amtsgerichte, weniger Geld für Anwälte

Ein Gesetzentwurf des Bundeskabinetts ordnet die zivilgerichtlichen Zuständigkeiten neu. Amtsgerichte sollen künftig bei Streitwerten bis 10.000 Euro und im Nachbarschaftsrecht entscheiden. Die Landgerichte sollen mehr Spezialzuständigkeiten bekommen. Für die Anwaltschaft wird der Kuchen kleiner.

Das Bundeskabinett hat einen Entwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) beschlossen, der die Zuständigkeiten zwischen Amts- und Landgerichten neu verteilt. Das ist nicht neu, geht über die Pläne aus der vergangenen Legislaturperiode aber noch hinaus.

Die wichtigste Änderung betrifft die Streitwertgrenze für Zivilverfahren vor den Amtsgerichten. Sie soll von derzeit 5.000 Euro auf 10.000 Euro steigen. Nach über 30 Jahren ohne Anpassung soll die Erhöhung laut BMJV die Geldwertentwicklung berücksichtigen und den Amtsgerichten wieder mehr Verfahren sichern.

Gleichzeitig will der Gesetzentwurf für mehr Spezialisierung sorgen: Bestimmte Sachgebiete sollen künftig unabhängig vom Streitwert fest zugeordnet werden. So sollen Nachbarschaftsstreitigkeiten generell vor den Amtsgerichten landen. Hier spiele die Ortsnähe eine besondere Rolle, heißt es in der Begründung.

Neue Spezialzuständigkeiten

Andere Rechtsgebiete sollen dagegen bundeseinheitlich den Landgerichten zugewiesen werden. Dazu zählen Verfahren aus dem Vergaberecht, Streitigkeiten über Veröffentlichungen in der Presse und im Internet sowie Streitigkeiten wegen ärztlicher Behandlungen. Diese Verfahren seien besonders komplex und sollten deshalb an spezialisierte Richterinnen und Richter verwiesen werden.

Von der neuen Spezialzuständigkeit für Veröffentlichungsstreitigkeiten erfasst sind etwa Ansprüche wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Presse oder im Internet. Im Vergaberecht geht es beispielsweise um Schadensersatzklagen wegen fehlerhafter öffentlicher Ausschreibungen. Bei Heilbehandlungen sind Ansprüche gegen Ärztinnen oder Ärzte wegen Behandlungsfehlern betroffen.

Bundesjustizministerin Stefanie Hubig betonte, dass mit der Reform sowohl die Amtsgerichte als auch die Landgerichte gestärkt würden: "Wir stärken die Amtsgerichte und erweitern ihre Zuständigkeiten. Gleichzeitig fördern wir die Spezialisierung der Justiz."

15 Millionen Euro weniger Anwaltsgebühren

Der Gesetzentwurf geht davon aus, dass durch die Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts jährlich rund 65.000 Verfahren mehr die Amtsgerichte erreichen werden, während bei den Landgerichten pro Jahr demnach circa 58.000, bei den Oberlandesgerichten rund 14.000 Verfahren weniger ankämen.

Die Regelungen der ZPO zum Anwaltszwang will der Entwurf nicht verändern. Es bleibt also dabei, dass die Notwendigkeit eines Anwalts vom sachlich zuständigen Gericht abhängt und Bürgerinnen und Bürger nach § 78 ZPO am Amtsgericht nicht zwingend einen anwaltlichen Beistand brauchen. Sie sollen sich also künftig in Verfahren mit Streitwerten bis zu 10.000 Euro selbst vertreten können, weshalb der Gesetzentwurf von einer "potenziellen Verringerung "von Anwaltskosten ausgeht.

Das BMJV kommt zum Ergebnis, dass künftig circa 9.000 Fälle weniger mit anwaltlicher Vertretung stattfinden könnten; eine Steigerung der Anzahl von Mandaten, in denen auch vor dem AG eine anwaltliche Vertretung stattfindet, von aktuell 68% auf künftig 75% ist dabei ebenso eingerechnet wie rund 7.000 zusätzliche Berufungs- und Beschwerdeverfahren gegen (mehr) amtsgerichtliche Entscheidungen. Durchschnittliche Rechtsanwaltsgebühren für beide Parteien beziffert das Ministerium auf 3.220 Euro und kommt so zu einem potenziellen Wegfall von Anwaltsgebühren in Höhe von (9.000 Fälle x 3.220 Euro) rund 14,5 Millionen Euro.

Die amtsgerichtlichen Verfahren gehen seit Jahrzehnten zurück. Bereits die Vorgängerregierung hatte im März 2024 unter dem damaligen Justizminister Marco Buschmann (FDP) einen Referentenentwurf vorgelegt, um einerseits durch höhere Streitwerte die Amtsgerichte abzusichern und so den Zugang zum Recht sicherzustellen sowie andererseits durch mehr Spezialzuständigkeiten für mehr Spezialisierung in der Justiz zu sorgen. Die Ampelregierung wollte die amtsgerichtliche Zuständigkeit dabei nur auf 8.000 Euro erhöhen, ging aber dennoch damals davon aus, dass mit 76.000 Fällen künftig mehr Fälle neu bei den Amtsgerichten landen würden.

Redaktion beck-aktuell, pl, 27. August 2025.

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