Referentenentwurf: Buschmann will Amtsgerichtszuständigkeit bis 8.000 Euro
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Die amtsgerichtlichen Verfahren gehen seit Jahrzehnten zurück. Ein höherer Zuständigkeitsstreitwert soll nun die Amtsgerichte absichern, mehr Spezialzuständigkeiten sollen für mehr Spezialisierung sorgen. Die Anwaltschaft könnten die Pläne aus dem BMJ rund 5.000 Mandate kosten. 

Das Bundesjustizministerium (BMJ) geht davon aus, dass mit der Anhebung, die der Geldentwicklung entspreche, die Zahl der erstinstanzlich vor den Amtsgerichten zu verhandelnden zivilrechtlichen Verfahren wieder steigen werde. Der Rückgang der zivilrechtlichen Verfahren in den vergangenen Jahrzehnten besorgt die Branche seit Jahren, allein zwischen 2005 und 2019 sind die Neuzugänge bei den Amtsgerichten um etwa 36%, bei den Landgerichten um rund 21% zurückgegangen. Mit diesen enormen Zahlen und ihren möglichen Gründen beschäftigte sich auch ein vom BMJ in Auftrag gegebener Forschungsbericht aus dem Jahr 2023

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will diesem Trend vor allem bei den Amtsgerichten entgegenwirken. Am Mittwoch stellte er einen Referentenentwurf vor, der den Zuständigkeitswert der Amtsgerichte auf 8.000 Euro erhöhen will. Amtsgerichte trügen als Eingangsinstanz zur Bürgernähe der Justiz bei. Ihre Verteilung in der Fläche gewährleiste einen ortsnahen Rechtsschutz und einen leichten Zugang zur Justiz, so Buschmann, selbst gelernter Anwalt. Gingen die Verfahren weiter zurück, ohne dass die Gerichte ihr Personal reduzieren könnten, liefen kleinere Amtsgerichtsstandorte Gefahr, ganz schließen zu müssen, erklärte der Justizminister. 

Nachbarn immer zum AG, Vergaberecht immer zum LG

Nach dem Referentenentwurf, den das BMJ am Mittwoch veröffentlichte, sollen zudem weitere streitwertunabhängige Zuständigkeiten der Amts- und Landgerichte geschaffen werden. Zivilrechtliche Streitigkeiten würden in einigen Rechtsgebieten zunehmend komplexer; bei anderen Rechtsgebieten spiele die Ortsnähe eine besondere Rolle, erläutert das BMJ. Das Ziel: eine stärkere Spezialisierung der Justiz und effizientere Verfahren.

Streitigkeiten auf dem Gebiet des Nachbarrechts sollen deshalb streitwertunabhängig den Amtsgerichten zugewiesen werden. Eine von den Justizministerinnen und - ministern der Länder noch angedachte Zuweisung aller Streitigkeiten rund um Fluggastrechte an die Amtsgerichte hat es hingegen nicht in den Entwurf geschafft. Für Streitigkeiten aus dem Bereich der Vergabesachen, der Heilbehandlungen sowie Veröffentlichungsstreitigkeiten sollen laut den Plänen des BMJ streitwertunabhängig die Landgerichte zuständig sein.

Der Entwurf, der in weiten Teilen Vorschläge der Justizressorts der Länder aufgreift, geht davon aus, dass die Verfahrenseingänge bei den Amtsgerichten bundesweit um rund 44.000 Verfahren pro Jahr zunehmen, bei Landgerichten würden demnach jährlich etwa 38.000, bei den Oberlandesgerichten rund 10.000 Verfahren weniger eingehen. Der Personalbedarf werde sich ändern, so die recht vage Prognose – wie sehr, das könne man noch nicht genau sagen. Die Kommission der Landesjustizverwaltungen für Personalbedarfsberechnung soll nun ermitteln, ob und wie der durchschnittliche Bearbeitungsaufwand für die Fallbearbeitung der Amts-, Land-, und Oberlandesgerichte sich verändern wird. So soll laut Entwurf der tatsächliche Personalbedarf ermittelt und konkrete Maßnahmen vorgeschlagen werden, um die Auswirkungen der veränderten Rechtslage möglichst genau zu berücksichtigen.  

Rund 11 Millionen Euro weniger Anwaltsgebühren? 

Prof. Dr. Matthias Kilian lieferte auf X (Ex-Twitter) Kontext zu den Plänen: Die Erhöhung der Streitwertgrenze betreffe streitwertmäßig rund 20% der 286.000 jährlichen Neuzugänge vor den Landgerichten. Bei den Amtsgerichten führe das bei zuletzt 715.000 Neuzugängen zu einem Zuwachs von schätzungsweise 8%. Der Inhaber der Hans-Soldan-Stiftungsprofessur für Anwaltsrecht und anwaltsorientierte Juristenausbildung an der Universität zu Köln, der zur Anwaltsbranche seit vielen Jahren Zahlen und Fakten erhebt und auswertet, zieht daraus einen ernüchternden Schluss: "Da allein von 2019 bis 2022 die Zahl der AG-Verfahren um 20% abnahm, wird das schnell aufgezehrt sein". 

Die Regelungen der ZPO zum Anwaltszwang will der Entwurf nicht verändern. Es bleibt also dabei, dass die Notwendigkeit eines Anwalts vom sachlich zuständigen Gericht abhängt und Bürgerinnen und Bürger nach § 78 ZPO am Amtsgericht nicht zwingend einen anwaltlichen Beistand brauchen. Sie sollen sich also künftig in Verfahren mit Streitwerten bis zu 8.000 Euro selbst vertreten können. 

Aufgrund einer Reihe von Annahmen geht der Entwurf davon aus, dass die Zuständigkeitsverschiebung in rund 5.000 Fällen zu einem möglichen Wegfall der anwaltlichen Vertretung führen könnte. Bei einem durchschnittlichen Vergütungsvolumen von rund 2.200 Euro würden, so heißt es in der Begründung, Wirtschaft sowie Bürgerinnen und Bürger um insgesamt rund 11 Millionen Euro entlastet.

Redaktion beck-aktuell, Pia Lorenz, 6. März 2024.