"Mit-Glied-Schaft" im Fitnessstudio: Reichelt-Portal NiuS muss Transfrau 6.000 Euro zahlen
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Das Medienportal NiuS darf eine Transfrau, die von einem Frauenfitnessstudio abgelehnt wurde, nicht öffentlich als Mann bezeichnen. Das LG Frankfurt a. M. sprach der Betroffenen wegen der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts 6.000 Euro zu.

Das rechte Onlinemedium NiuS darf eine Transfrau nicht als Mann bezeichnen. Nachdem das LG Frankfurt a. M. der Betroffenen bereits im Eilverfahren überwiegend Recht gegeben hatte, fällte das Gericht jetzt seine Hauptsacheentscheidung. Der Frau steht gegen NiuS demnach ein Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus §§ 823 Abs. 11004 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu. NiuS darf sie künftig nicht mehr öffentlich als Mann bezeichnen. Auch ihren Namen oder Fotos dürfen nicht ohne ihre Zustimmung veröffentlicht werden. Zudem muss das Portal von Julian Reichelt der Frau 6.000 Euro zahlen (Urteil vom 10.07.2025 - 2-03 O 129/25).

Der Hintergrund: NiuS und andere Medien hatten über die Frau berichtet, nachdem ein Frauenfitnessstudio ihren Mitgliedsantrag abgelehnt hatte. Die Transfrau schaltete die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein, woraufhin NiuS die Nachricht in mehreren Artikeln und auf Social Media aufgriff – teilweise unter Nennung des vollständigen Namens und mit Fotos bebildert, die zwar verpixelt waren, sie jedoch für mit ihr vertraute Personen ohne Weiteres erkennen ließen. Dagegen wehrte sich die Betroffene vor Gericht. Sie hatte bereits 2021 ihren Personenstand und ihren Vornamen von männlich zu weiblich ändern lassen.

Vor dem LG Frankfurt a.M. ging es unter anderem um folgende Passage: "Damit Ihnen das als Kundin in einem Erlanger Sportstudio nicht geschieht und Sie vor den unerwünschten Blicken von Männern geschützt sind, hat die Inhaberin dieses Studios einem Herrn, der behauptet Frau zu sein [...] die in diesem Fall durchaus wörtlich zu nehmende ‘Mit-Glied-Schaft‘ in ihrem Studio verweigert." Das Medienportal bezeichnete die Transfrau zudem als "Herren in Damenkleidung“ und "Herr Transfrau".

Gesamtabwägung: Persönlichkeitsrecht überwiegt Meinungsfreiheit

Das Gericht urteilte, dass das Persönlichkeitsrecht der Transfrau das Recht des Onlineportals auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG überwiege. Das Persönlichkeitsrecht schütze auch die geschlechtliche Identität einer Person. So habe das BVerfG entschieden, dass sich das Geschlecht einer Person nicht allein nach den äußerlichen Geschlechtsmerkmalen im Zeitpunkt ihrer Geburt bestimme, sondern auch von der psychischen Konstitution und selbstempfundenen Geschlechtlichkeit abhänge. Diese zu achten, gebiete die Menschenwürde.

Maßgeblich für die Zulässigkeit einer Äußerung sei, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung handele, führte das LG weiter aus. Dabei war für das Gericht entscheidend, ob in der Medienberichterstattung eine Meinung formuliert werde und die Artikel nicht den Anspruch gehabt hätten, reine Fakten vorzutragen. Die Richterinnen und Richter aus Frankfurt stellten zunächst klar, dass die Äußerungen keine reine Schmähkritik darstellten. Die Berichterstattung sei vielmehr im Rahmen einer konkreten Sachauseinandersetzung – nämlich der Ablehnung des Mitgliedsantrags durch das Fitnessstudio - und nicht losgelöst von jeglicher inhaltlicher Debatte erfolgt.

Im Ergebnis erachtete das Gericht die angegriffenen Passagen aus der Berichterstattung jedoch allesamt für unzulässig. Mit der Bezeichnung als "Mann", "Herrn in Damenkleidung" und "Herr Transfrau" habe NiuS die Frau durchgehend dem männlichen Geschlecht zugeordnet und deren rechtlich anerkannte geschlechtliche Identität nicht anerkannt. Für das LG Frankfurt a.M. ausschlaggebend war dabei, dass die Medienberichterstattung sich nicht auf die bloße Feststellung des biologischen Geschlechts beschränkte, sondern auf "eine Herabwürdigung und Kränkung" abziele. Zudem gehe es in den Artikeln nicht abstrakt um Transpersonen und Transrechte im Allgemeinen, sondern es werde "einer konkreten Person ihre geschlechtliche Identität abgesprochen".

"…zum Zwecke der persönlichen Anprangerung ausgeschlachtet"

Im Hinblick auf die Veröffentlichung mehrerer Fotos der Frau sowie ihrem Vornamen, Nachnamen und dem Alter ging das Gericht davon aus, dass dies dazu diene, die Transfrau "als Person erkennbar zu machen, bloßzustellen und aus der Anonymität zu heben." Zwar müsse die Presse nicht grundsätzlich anonymisiert berichten, im vorliegenden Fall überwiege das Persönlichkeitsrecht der Transfrau jedoch auch das Interesse an einer freien Presseberichterstattung. Entscheidend waren für das Gericht dabei die große Breitenwirkung der Publikation sowie die damit einhergehende besondere Stigmatisierung der Betroffenen.

Dabei erkannte die 3. Zivilkammer bereits "kein über die menschliche Neugier und Sensationslust" hinausgehendes, berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit daran, den Namen der Betroffenen zu erfahren. Insbesondere, da es sich bei der Frau um eine der Öffentlichkeit unbekannte Privatperson handele, die "weder Aktivistin noch politisch aktiv" sei. Die Frau werde "weltweit abrufbar im Internet als Transperson ‘geoutet‘." NiuS habe die Informationen "zum Zwecke der persönlichen Anprangerung "ausgeschlachtet‘." In die Abwägung floss zudem auch die besondere "Hartnäckigkeit" der Berichterstattung in "nicht weniger als sieben Online-Veröffentlichungen" mit ein.

Geldentschädigung soll "rücksichtslose Vermarktung der Persönlichkeit" hemmen

Zudem stellte das Gericht fest, dass die Veröffentlichung der Bildnisse der Transfrau ohne ihre Einwilligung gegen §§ 22, 23 KUG verstoße. Die vorgenommene Verpixelung sei jeweils nicht ausreichend, um sie unkenntlich zu machen. Bei der Betroffenen handele es sich zudem nicht um eine Person der Zeitgeschichte, sodass sie die Bebilderung nicht hinnehmen müsse.

Bei der Höhe der Entschädigung stellte das Gericht insbesondere auf die "wiederholte und hartnäckige Verletzung des Rechts am eigenen Bild" sowie auf den wirtschaftlichen Vorteil ab, den eine solche Berichterstattung erzielen solle. Dabei berücksichtigte das Gericht unter anderem erschwerend, dass NiuS auch während des einstweiligen Verfügungsverfahrens an der Veröffentlichung festhielt. Besonders schwer wiege auch die Namensnennung, weshalb die Betroffene aus Angst vor Nachstellung sogar eine Melderegistersperrung veranlasst habe. Die Frau habe durch die Berichterstattung "erhebliche psychische Belastungen" in Form von "Stress, Angstzuständen und einem massiven Eingriff in ihre Privatsphäre" erlitten.

Redaktion beck-aktuell, Dr. Jannina Schäffer, 29. August 2025.

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