Die Warburg Bank führte von 2007 bis 2009 von Rechtsanwälten an sie herangetragene außerbörsliche Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag durch. Die Aktienpakete stellten Anlageberater zusammen, die nicht zur Bank gehörten. Die Bank erwarb und veräußerte so mehrere Millionen Aktien inländischer Unternehmen und erzielte Kapitalerträge im mehrstelligen Millionenbereich. Diese wurden der klagenden Organträgerin der Bank steuerlich zugerechnet.
Das Finanzamt erstellte für die Streitjahre Körperschaftsteuerbescheide und rechnete aufgrund der Aktiengeschäfte gezahlte Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge im zweistelligen Millionenbereich auf die Steuerlast an. Im April 2020 änderte es die Steuerfestsetzungen, nahm die Anrechnungen zurück und verlangte die Erstattung der angerechneten Beträge.
Kurz vorher waren zwei der Anlageberater, die die Aktiengeschäfte betreut hatten, wegen Steuerhinterziehung und Beihilfe dazu zugunsten der Bank verurteilt worden. Das Urteil wurde später rechtskräftig. Ein führender Mitarbeiter der Bank und einer der Rechtsanwälte, die die Geschäfte an die Bank herangetragen hatten, wurden ebenfalls rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung zugunsten der Bank verurteilt.
Neue Tatsache: Angerechnete Kapitalertragsteuer wurde gar nicht erhoben
Die Organträgerin der Bank klagte – ohne Erfolg. Das FG ist der Ansicht, dass die Körperschaftsteuerbescheide formell und materiell geändert werden durften. Die Festsetzungsfrist für die Streitjahre sei nicht abgelaufen gewesen. Sie habe nach §169 Abs. 2 S. 2 AO wegen der Steuerhinterziehung zugunsten der Bank jeweils zehn Jahre betragen.
Aus materieller Sicht können die Bescheide auf der Grundlage von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (für 2007) und § 164 Abs. 2 Satz 1 AO (für 2008 und 2009) geändert werden, so das FG weiter. Denn es hätten neue Tatsachen vorgelegen: Erst nachträglich sei bekanntgeworden, dass die angerechnete Kapitalertragsteuer und der Solidaritätszuschlag nicht erhoben worden seien. Die Bank habe sich selbst insoweit inhaltlich unzutreffende Steuerbescheinigungen ausgestellt, deren Beweiskraft erschüttert sei.
Auch die Anrechnungsverfügungen habe das Finanzamt zurücknehmen dürfen, so das FG weiter. Es lägen mit § 130 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 AO drei Rücknahmetatbestände vor. Die Anrechnungen seien unter anderem durch arglistige Täuschungen des rechtskräftig verurteilten Rechtsanwalts und der ebenso verurteilten Anlageberater erwirkt worden (§ 130 Abs. 2 Nr. 2 AO). Diese Täuschungen habe das Finanzamt der klagenden Organträgerin im Rahmen seines Ermessens auch zurechnen dürfen. Es sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Verantwortlichen der Bank jedenfalls grob fahrlässig gehandelt haben und die Unrichtigkeit der selbst ausgestellten Steuerbescheinigungen hätten erkennen müssen.
Es liege auch keine Zahlungsverjährung vor. Diese habe mit jeder zwischenzeitlichen Änderung der Körperschaftsteuerfestsetzungen neu zu laufen begonnen. Das Urteil des FG Hamburg vom 09.11.2024 – 6 K 228/20 ist noch nicht rechtskräftig.