Der Grundsatz "Gleiches Recht für Alle" war, wie das Finanzgericht betont hat, hier nicht betroffen: Vielmehr sollte der Mann, den das FG persönlich geladen hatte, den Sachverhalt aufklären, zu dem ein – nicht näher bestimmter – Behördenvertreter nichts hätte beitragen können. Entsprechend sei gegenüber dem Hauptzollamt auch nicht das persönliche Erscheinen eines Vertreters angeordnet worden.
Der Wunsch des Gerichts, die Verhandlung in Anwesenheit des Steuerpflichtigen zu führen, um das Verfahren voranzubringen, wiegt nach Ansicht des Einzelrichters auch schwerer als die Kosten und die Zeit, die in die Anreise investiert werden müssen.
Des Dramas nächster Akt
Die Rechtsfragen rund um Videoverhandlungen nehmen auch in der Finanzgerichtsbarkeit zu. Frank Zschieschack schrieb Ende Juni in einer Anmerkung in der NJW (NJW 2023, 2600), die er mit den Worten "Justiz und Technik – ein Drama!" einleitete, zu einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des BFH über seine Angst vor der Angst der Gerichte. Er befürchte, dass die Angst der Justiz vor Übertragungsfehlern, die zu einer Aufhebung von Urteilen führen könnten, den Auftrieb zunichtemachen könnte, den die Videoverhandlung durch die Pandemie erhalten hatte.
Das oberste Finanzgericht hatte in einer Entscheidung von Ende Juni ein Urteil des FG Münster aufgehoben: Über weite Strecken der Videoverhandlung war nur der Vorsitzende im Bild zu sehen gewesen. Auch die nur am Bildschirm teilnehmenden Beteiligten müssten sich aber sicher sein können, dass die Richterbank jederzeit voll besetzt war, so der BFH, der darin einen unheilbaren Verfahrensfehler sah. Ob jemand den gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes anrufe, um die Entscheidung zu korrigieren, hält Zschieschack für fraglich. Der Beschluss aus München hat seines Erachtens Bedeutung über die Finanzgerichtsbarkeit hinaus: Die Regeln zur Videoverhandlung in den Gerichtszweigen sind identisch.
So steht in der kommenden Woche, am 21. September, auf der Tagesordnung des Bundestags auch der Entwurf eines "Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten". Demnach sollen Richterinnen und Richter – außer im Strafrecht – Videoverhandlungen künftig nicht mehr nur gestatten, sondern auch anordnen können. Gerichte, die Verhandlungen per Video ablehnen, sollen das begründen müssen. Und wenn alle Verfahrensbeteiligten einer digitalen Verhandlung zustimmen, soll das gerichtliche Ermessen per Soll-Vorschrift eingeschränkt werden. Dass der Entwurf das gerichtliche Ermessen auch in diesen Konstellationen nicht per se auf Null reduzieren, sondern den Richterinnen und Richtern die Möglichkeit belassen will, dennoch persönlich zu laden, dürfte dem FG Hamburg gefallen.