Generalanwalt: EU-Parlament hätte Puigdemont als Abgeordneten anerkennen müssen

Nach den Europawahlen 2019 hatte der damalige Präsident des EU-Parlaments dem früheren katalonischen Regierungschef und Separatistenführer Carles Puigdemont und seinem Ex-Minister Antoni Comin die Anerkennung als EU-Abgeordnete verweigert - laut EuGH-Generalanwalt Maciej Szpunar zu Unrecht.

Nach dem Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien 2017 flohen Puigdemont und Comin vor den spanischen Strafverfolgungsbehörden nach Belgien. In Spanien ergingen gegen sie Haftbefehle. Im Mai 2019 wurden dann beide ins EU-Parlament gewählt. Die von der spanischen Wahlkommission dem EU-Parlament übermittelte Liste mit den gewählten Kandidaten enthielt ihre Namen aber nicht – anders als die amtlich bekanntgegebenen Wahlergebnisse.

Daraufhin weigerte sich auch der Präsident des EU-Parlaments, Puigdemont und Comin als EU-Abgeordnete anzuerkennen. Dagegen klagten sie auf Nichtigkeit beim EuG. Während das Verfahren lief, wurden die beiden Separatisten schließlich vom EU-Parlament rückwirkend als Abgeordnete bestätigt, nachdem zuvor das "Junqueras-Urteil" des EuGH ergangen war. Das EuG wies die Nichtigkeitsklage später ab: Die Weigerung des Präsidenten des EU-Parlaments sei nicht anfechtbar. Dagegen wandten sich Puigdemont und Comin an den EuGH.

EP-Präsident hat amtliche Wahlergebnisse missachtet

Laut EuGH-Generalanwalt Maciej Szpunar hätte der Präsident des EU-Parlaments den beiden die Anerkennung als EU-Parlamentarier nicht verweigern dürfen (Schlussanträge vom 11.04.2024 - C-600/22 P). Er hätte vielmehr die amtlich bekanntgegebenen Wahlergebnisse der spanischen Wahlkommission beachten müssen, an die das EU-Parlament gebunden war. Mit deren Bekanntgabe hätten Puigdemont und Comin – nach dem "Junqueras-Urteil" – den Status von EU-Abgeordneten erlangt. Die Weigerung ist nach Ansicht Szpunars nichtig.

Außerdem dürfe kein Mitgliedstaat die Vorrechte der EU-Abgeordneten (u. a. Immunität) aussetzen – keine Bestimmung des Unionsrechts ermächtige dazu. Der Präsident habe aber der Aussetzung der Vorrechte von Puigdemont und Comín, die die spanische Wahlkommission erklärt hatte, Wirksamkeit verliehen.

Im Mai will Puigdemont an den vorgezogenen Regionalwahlen in Katalonien teilnehmen. Im März billigte das spanische Parlament ein Amnestiegesetz für katalonische Separatisten, das auch Puigdemont zugute kommen könnte. Mit einer Klage gegen die Aufhebung seiner Immunität scheiterte er beim EuG im vergangenen Jahr.

EuGH, Urteil vom 11.04.2024 - C-741/21

Redaktion beck-aktuell, hs, 11. April 2024.