Konkurrenz unsichtbar gemacht: Google muss Milliarden-Bußgeld zahlen
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Eine marktbeherrschende Stellung zu haben, ist eine Sache. Sie zu missbrauchen, eine ganz andere. Mit seinem Preisvergleichsdienst hat Google das getan, statt nach den Regeln des Wettbewerbs zu spielen, so der EuGH. Für Wettbewerbshüterin Margrethe Vestager ist es ein später Sieg. 

Seit der Änderung der Unternehmensstruktur im Jahr 2015 heißt Google Alphabet und sein Leitspruch nicht mehr "Don’t be evil" ("Sei nicht bösartig"), sondern "Do the right thing" ("Tu das Richtige"). Dabei verliert man mittlerweile fast den Überblick über all die Prozesse, in die der Internetgigant in Europa und weltweit verwickelt ist. Die Geschichte des Urteils des EuGH vom heutigen Dienstag gegen Google wegen seines Preisvergleichsdiensts Google Shopping begann noch lange vor der Änderung der Unternehmensstruktur. Auch deshalb gilt das Verfahren als eines der wichtigsten gegen den Konzern.

Es geht dabei um den seit 2008 währenden Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, in diesem Fall dadurch, dass Google den eigenen Preisvergleichsdienst gegenüber anderen Anbietern bevorzugte. Der EuGH hat nun den entsprechenden Beschluss der EU-Kommission von 2017 insoweit bestätigt, als auch das EuG ihn gehalten hatte (EuGH, Urteil vom 10.09.2024 - C-48/22 P, Google Shopping). Damit bleibt es bei der von der Kommission verhängten Geldbuße, die Google und Konzernmutter Alphabet bis zuletzt anfochten. Für den Betrag von 2,4 Milliarden Euro haftet Alphabet als Alleingesellschafterin nach Angaben des EuGH in Höhe von 523.518.000 Euro gesamtschuldnerisch.

Im Juni 2017 hatte die Kommission festgestellt, dass Google in 13 Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums auf seiner Seite für allgemeine Suchergebnisse die Ergebnisse seines eigenen Preisvergleichsdienstes gegenüber denjenigen konkurrierender Preisvergleichsdienste bevorzugt habe.

Kommission: Konkurrenz schlecht sichtbar und schlecht gerankt

Der Preisvergleichsdienst, mit dem Google 2004 in den Markt gestartet war, war nach Angaben der Kommission bis zum Jahr 2008 nicht gut gelaufen. Danach habe der Konzern das Produkt in "Google Product Search" umbenannt und seine Strategie geändert. Ab 2008 präsentierte der Internetgigant die Suchergebnisse seines Preisvergleichsdienstes an oberster Stelle und – mit attraktiven Bild- und Textinformationen versehen – hervorgehoben in Boxen. Die Suchergebnisse für die Preisvergleichsdienste der Konkurrenz erschienen dagegen nur weiter unten in der Liste in Form blauer Links.

Mit Blick auf die Wettbewerber, deren Erfolg stark von der Anzahl der Zugriffe auf ihren Webseiten abhängig ist, störte die Kommission sich daran unter zwei Gesichtspunkten: einmal wegen der unmittelbaren Sichtbarkeit, wenn jemand etwas in der Google-Suchleiste eingab. Zudem konnten die Suchergebnisse der Konkurrenz aber so auch von den Ranking-Algorithmen auf den allgemeinen Suchergebnisseiten von Google herabgestuft werden.

So entsteht eine Spirale: Die Ergebnisse des 2013 noch einmal in "Google Shopping" umbenannten Vergleichsdienstes sind sichtbarer und besser gerankt, erhalten dadurch mehr Zugriffe und werden durch vielen Zugriffe in den Suchergebnissen immer sichtbarer und immer besser gerankt.

Die Zahlen, die die Kommission 2017 vorlegte, waren auch und gerade für Deutschland enorm. Dort seien die Zugriffe auf den Preisvergleichsdienst seit dem Strategiewechsel um das 35-fache gestiegen, während sie bei der Konkurrenz um 92% gesunken seien, so die Kommission damals.

Kommission: Nicht nach den Regeln des Leistungswettbewerbs

Laut der Kommission ging es bei diesem Strategiewechsel um noch mehr: Die neue Strategie habe sich ab 2008 nicht auf den Leistungswettbewerb auf den Preisvergleichsmärkten gestützt, sondern auf die marktbeherrschende Stellung von Google im Bereich der allgemeinen Internetsuche, argumentierte die auch heute noch für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager im Jahr 2017.

Beim EuG, das Google und Alphabet daraufhin anriefen, hielten die Richterinnen und Richter es nicht für erwiesen, dass das Verhalten von Google wettbewerbswidrige Auswirkungen auch auf den Markt für allgemeine Suchdienste hatte. Sie erklärten den Beschluss der Kommission insoweit für nichtig, als sie darin auch in Bezug auf diesen Markt eine Zuwiderhandlung gegen das Verbot des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung festgestellt hatte.

Doch es war nur ein kleiner Teilerfolg für den Internetkonzern: Das EuG wies die Klage von Google und Alphabet im Wesentlichen ab und bestätigte den Beschluss der Kommission im November 2021 ganz überwiegend. Das galt vor allem auch für die Geldbuße, die das Gericht ebenfalls in voller Höhe stehenließ. Auch mit ihrem Rechtsmittel zum EuGH gegen diese Klageabweisung waren Google und Alphabet nun final erfolglos.

EuGH: Wettbewerbsentwicklung durch Marktmacht verhindert

Der EuGH hat den Beschluss der Kommission aufrechterhalten, soweit er noch bestand. Zwar weiche auch ein beherrschendes Unternehmen, das seine eigenen Waren oder Dienstleistungen günstiger behandele als diejenigen seiner Wettbewerber, nicht immer gleich vom Leistungswettbewerb ab. Im Fall von Google aber habe das EuG zu Recht festgestellt, "dass das Verhalten in Anbetracht der Merkmale des Marktes und der spezifischen Umstände des Falles diskriminierend ist und nicht dem Leistungswettbewerb entspricht", heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Der EuGH weist dabei ausdrücklich darauf hin, dass es nach Art. 102 AEUV nicht per se ein wettbewerbsrechtliches Problem damit gibt, dass ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung innehat.

Rechtlich problematisch wird es erst, wenn es diese auch missbräuchlich ausnutzt. So seien Verhaltensweisen von Unternehmen in beherrschender Stellung verboten, die den Leistungswettbewerb beschränken und somit geeignet sind, einzelnen Unternehmen und Verbrauchern zu schaden, so der EuGH. Dazu gehörten auch Verhaltensweisen, die mit anderen Mitteln als denen eines Leistungswettbewerbs die Aufrechterhaltung oder Entwicklung des Wettbewerbs auf einem Markt behinderten, wo der Wettbewerb ohnehin bereits geschwächt sei, weil es ein oder mehrere Unternehmen in beherrschender Stellung gebe.

Auch gegen Apple: Späte Siege für Vestager

Für EU-Wettbewerbs-Kommissarin Margrethe Vestager ist das Urteil aus Luxemburg einer von mehreren Siegen. Am Dienstag bestätigte der EuGH auch einen anderen Beschluss der Kommission in Bezug auf ein großes Tech-Unternehmen: Apple muss 13 Milliarden Euro Steuern zurückzahlen, weil Irland dem Unternehmen selektive Steuervorteile gewährt und ihm dadurch von 1991 bis 2014 rechtswidrige staatliche Beihilfen gewährt hatte, entschied der EuGH. Die beiden Urteile seien ein großer Sieg für die europäischen Bürgerinnen und Bürger und die Steuergerechtigkeit, sagte Vestager laut Deutschlandfunk nach der Verkündung in Brüssel.

Schon in der kommenden Woche stehen weitere Entscheidungen an. Dann wird es vor dem EuGH um den Google-Dienst "AdSense for Search" gehen, der laut der EU-Kommission ebenfalls wettbewerbswidrig andere Anbieter behindern soll. Doch die Siege für Wettbewerbshüterin Vestager kommen spät. Im August wurde bekannt, dass die dänische Regierung sie wohl nicht für eine dritte Amtszeit in Brüssel nominieren will. Das Manager-Magazin schrieb zur Begründung, "Europas mächtigste Kartellwächterin" habe mit ihrem harten Kurs gegen Big Tech für immer mehr Unmut bei Regierungen gesorgt. 

EuGH, Urteil vom 10.09.2024 - C-48/22 P

Redaktion beck-aktuell, Pia Lorenz, 10. September 2024.