Ein Syrer verließ sein Land und beantragte in Deutschland Asyl, weil er befürchtete, zum Militärdienst einberufen oder verhaftet zu werden, falls er sich dem Militärdienst verweigern sollte. Ihm wurde aber lediglich subsidiärer Schutz gewährt, die Flüchtlingseigenschaft wurde ihm nicht zuerkannt. Nachdem im November 2019 ein Urteil des EuGH zu syrischen Kriegsdienstverweigerern ergangen war, stellte der Syrer einen erneuten Asylantrag, einen sogenannten Folgeantrag. Nach dem EuGH-Urteil besteht bei syrischen Kriegsdienstverweigerern eine starke Vermutung für einen Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung. Es sei Sache des BAMF zu beweisen, dass kein Verfolgungsgrund gegeben sei.
Der Syrer machte geltend, dass dieses Urteil eine ihn begünstigende Änderung der Rechtslage im Sinn des § 71 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG darstelle, sodass die Behörde den Folgeantrag inhaltlich prüfen müsse. Ohne Erfolg – die Behörde lehnte den Antrag als unzulässig ab. Das mit der Klage des Syrers befasste VG Sigmaringen rief den EuGH an. Es wollte wissen, ob nur eine Änderung der rechtlichen Bestimmungen oder auch eine gerichtliche Entscheidung eine Änderung der Rechtslage darstellen kann.
EuGH-Urteil muss internationalen Schutz wahrscheinlich machen
Der Gerichtshof hat entschieden, dass grundsätzlich jedes EuGH-Urteil es rechtfertigen kann, einen Asylantrag erneut voll zu prüfen – auch eine Vorabentscheidung zu einer EU-Regelung, die bei Erlass einer Entscheidung über einen früheren Antrag bereits in Kraft war. Das Verkündungsdatum des Urteils sei irrelevant. Voraussetzung sei aber, dass das EuGH-Urteil "erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beiträgt", dass der Antragsteller Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes hat (EuGH, Urteil vom 08.02.2024 - C-216/22).
Das VG hatte den EuGH auch noch gefragt, ob es selbst über den Folgeantrag entscheiden und ggf. die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen kann, wenn es die Entscheidung des BAMF aufhebt. Der EuGH konstatiert, dass die Mitgliedstaaten ihre Gerichte dazu ermächtigen können, verpflichtet seien sie dazu aber nicht.