Auftrag für Galileo-Satelliten: Kommission hätte Industriespionage-Vorwurf prüfen müssen

Ein führender Mitarbeiter des Raumfahrtkonzerns OHB war zum Konkurrenten gewechselt – der daraufhin den Zuschlag für einen milliardenschweren EU-Auftrag bekam. Unproblematisch – fand das EuG. Nun korrigiert der EuGH.

Im Streit um die Vergabe von Aufträgen rund um die EU-Raumfahrt muss das EuG noch einmal neu entscheiden. Laut EuGH hat es sich voreilig auf die Seite der EU-Kommission geschlagen und die Klage eines erfolglosen Bieters abgewiesen. Dabei sei es nicht auszuschließen gewesen, dass die Kommission den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht beachtet habe, der es gebietet, mögliche Interessenkonflikte zu prüfen und zu vermeiden (Urteil vom 12.06.2025 - C-415/23 P).

Kommission ging Vorwürfen nicht nach

Der Fall drehte sich um das Galileo-Projekt der EU. Galileo-Satelliten liefern weltweit Positionsdaten und sind die europäische Antwort auf das US-System GPS, das russische Glonass oder das chinesische Beidou. Für die Beschaffung der Satelliten hatten sich neben dem deutschen Raumfahrt-Unternehmen OHB auch Thales Alenia Space Italia und Airbus beworben. Während die beiden letzteren von der Kommission den Zuschlag bekommen hatten, war OHB leer ausgegangen.

Dagegen hatte sich der Raumfahrtkonzern mit einer Klage an das EuG gewandt. Er trug vor, im Lauf des Vergabeverfahrens sei ein führender Mitarbeitender von OHB zu Airbus gewechselt und dort an die Spitze genau der Abteilung gesetzt worden, die mit der Ausschreibung befasst war. Dadurch habe sich Airbus sensible Informationen über OHB – und damit einen Vorteil im Rennen um den Auftrag verschaffen können. OHB hatte das der Kommission auch mitgeteilt, doch die hatte keinen Anlass für weitere Untersuchungen gesehen.

Damit hatte die Kommission das angerufene EuG auf seiner Seite (Urteil vom 26.04.2023 - T-54/21). Das Gericht hatte entschieden, dass die Kommission nicht verpflichtet gewesen war, eingehende Untersuchungen zu den von OHB gegen Airbus erhobenen Vorwürfen anzustellen. Das sah der EuGH nun anders.

EuGH: Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt

Für Verträge wie den Satelliten-Auftrag, die aus dem Unionshaushalt finanziert werden, gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung, betont der EuGH. Dieser gebiete, dass alle Bieter die gleichen Chancen hätten und dass die Angebote den gleichen Bedingungen unterworfen seien. "Der öffentliche Auftraggeber muss in jedem Abschnitt des Verfahrens für die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung sorgen", heißt es in der Urteilsbegründung. "Dies bedeutet, dass er prüfen muss, ob Interessenkonflikte bestehen, und geeignete Maßnahmen zu ergreifen hat, um Interessenkonflikte zu verhindern, aufzudecken und zu beheben."

Es sei nicht auszuschließen gewesen, dass sich Airbus durch den neuen Mitarbeiter von der Konkurrenz einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft habe, so die Richterinnen und Richter. Die Kommission hätte daher alle relevanten Umstände prüfen müssen.

Eine solche Prüfung müsse auch nicht nur bei Vorliegen unmittelbarer Beweise für einen Verstoß gegen das Vergaberecht eingeleitet werden, stellte der EuGH außerdem klar. Das sei vielmehr auch schon auf der Grundlage objektiver und übereinstimmender Indizien nötig. Nach Auffassung des Gerichtshofs hat das EuG deshalb einen Rechtsfehler begangen und muss erneut prüfen.

EuGH, Urteil vom 12.06.2025 - C-415/23 P

Redaktion beck-aktuell, dd, 12. Juni 2025.

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