Bestraft werden sollen demnach Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir, wie mehrere EU-Beamte der Deutschen Presse-Agentur kurz vor einem EU-Außenministertreffen an diesem Donnerstag bestätigten. Ben-Gvir hatte sich zuletzt unter anderem dafür ausgesprochen, Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu stoppen, um die dort herrschende Terrororganisation Hamas zum Aufgeben zu bewegen.
Ähnlich äußerte sich Finanzminister Smotrich. Er bezeichnete eine mögliche Blockade von Hilfsgütern bis zur Freilassung aller israelischen Geiseln der Hamas als moralisch und gerechtfertigt, selbst wenn dies den Hungertod von zwei Millionen Menschen im Gazastreifen bedeute. Sowohl Smotrich als auch Ben-Gvir sind rechtsextreme Koalitionspartner von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Zudem sind beide Verfechter der aus Sicht des höchsten UN-Gerichts illegalen Siedlungspolitik in besetzten Gebieten im Westjordanland.
Die Hamas hat nach israelischer Zählung derzeit noch 107 Geiseln in ihrer Gewalt. Mindestens ein Drittel davon gilt als tot. Insgesamt verschleppten palästinensische Terroristen am 7. Oktober vergangenen Jahres mehr als 250 Menschen aus Israel in das Küstengebiet. Rund 1.200 Menschen wurden bei dem beispiellosen Terroranschlag getötet. Israels Armee reagierte mit verheerenden Angriffen in Gaza, bei denen nach palästinensischen Angaben bereits mehr als 40.000 Menschen getötet wurden.
Israels Außenminister appelliert an "freie Welt"
Dem Vorstoß Borrells zufolge könnten die Sanktionen gegen Smotrich und Ben-Gvir wegen Aufstachelung zu Hass und Menschenrechtsverletzungen verhängt werden. Dann müssten in der EU vorhandene Vermögenswerte der beiden eingefroren werden und sie dürften nicht mehr in die EU einreisen. Ob und wenn ja, wann der Vorschlag umgesetzt wird, ist allerdings noch unklar. Hintergrund ist, dass Sanktionsbeschlüsse in der Europäischen Union einstimmig gefasst werden müssen und Länder wie Deutschland, Tschechien und Ungarn Sanktionsforderungen gegen Israel bislang eher kritisch gegenüberstanden.
Als ein Argument gegen eine Sanktionierung der Minister nennen Diplomaten in Brüssel die anhaltenden Bemühungen um eine Deeskalation des Konflikts im Nahen Osten. Vor diesem Hintergrund könne es kontraproduktiv sein, durch Sanktionen Gesprächskanäle in die israelische Regierung zu gefährden, heißt es. Bislang hat die EU nur Sanktionen gegen einige radikale israelische Siedler und deren Strukturen verhängt.
Auch Israels Außenminister Israel Katz sprach sich indirekt gegen die geforderten Sanktionen aus. So schrieb er gestern Abend auf der Plattform X: "Wir arbeiten unermüdlich mit unseren europäischen Verbündeten zusammen, um israelfeindliche Entscheidungen auf morgigen Treffen der EU-Außenminister zu verhindern, die von israelfeindlichen Elementen vorangetrieben werden." Angesichts einer Bedrohung Israels durch den Iran und "seine stellvertretenden Terrororganisationen" müsse die freie Welt an der Seite Israels stehen und dürfe sich nicht gegen das Land wenden.
Druck auf die EU wächst
Die Forderungen nach einem Kurswechsel der EU im Umgang mit Israel wurden zuletzt lauter. So forderte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) in einem Brief kurz vor dem Treffen der EU-Außenminister europäische Sanktionen wegen der israelischen Siedlungspolitik. In dem Schreiben an die Teilnehmer sprechen sich die Menschenrechtler für ein umfassendes Waffenembargo und ein Verbot von Investitionen in bestimmte israelische Unternehmen und Banken aus. Zudem empfiehlt die Organisation, in der EU den Handel mit Gütern aus israelischen Siedlungen in besetzten Gebieten zu verbieten. Auch Ost-Jerusalem solle dabei eingeschlossen werden.
Als Grund für ihre Forderungen nennen die Menschenrechtler das im Juli veröffentlichte Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zur israelischen Besatzung der palästinensischen Gebiete. Israel hatte das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem im Sechstagekrieg von 1967 erobert und besetzt.
Die Palästinenser beanspruchen diese Gebiete für einen eigenen Staat. 2005 räumte Israel zwar den Gazastreifen, es kontrollierte aber weiter die Grenzen zu Land, in der Luft und im Wasser. Der Gaza-Krieg nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 hat die Spannungen noch einmal deutlich verschärft.