Bei der von der Enquete-Kommission initiierten öffentlichen Anhörung ging es um das Thema "Der vernetzte zivil-militärische Ansatz im internationalen Krisenmanagement: Rolle der zivilen Einsatzkräfte und Anwendung deutschen Rechts im Einsatzgebiet". Die Sachverständigen bescheinigten insgesamt Verbesserungen beim Zusammenwirken ziviler und militärischer Kräfte bei Auslandseinsätzen sowie an der Schnittstelle zwischen der nationalen Rechtsordnung und dem operativen Recht im Einsatz.
Wichtige Komponenten für "nachhaltiges Peacebuilding": Vernetzung und Local Ownership
Allerdings gebe es "nicht den einen optimalen integrierten Ansatz", meint Astrid Irrgang, Geschäftsführerin des Zentrums für internationale Friedenseinsätze (ZIF). Denn "Gut vernetzt handeln, aber trotzdem scheitern", das könne durchaus passieren – dann nämlich, wenn "die eigene Strategie und die gewählten Maßnahmen zu ihrer Umsetzung nicht wirksam waren", so die Wissenschaftlerin mit Blick auf den Afghanistaneinsatz. Die 2023 beschlossene nationale Sicherheitsstrategie stelle hier allerdings einen "wertvollen Schritt" dar, um "die Kohäsion von Handeln zu fördern".
Um friedensfördernde Einsätze zu verbessern, ist es laut Irrgang hilfreich, "die verschiedenen Akteure, wo immer möglich, zusammenzubringen, sodass sie voneinander wissen und ihre Arbeitsgrundlagen kennen". Dies könne geschehen durch gemeinsame einsatzvorbereitende Trainings ziviler, polizeilicher und militärischer Kräfte sowie durch deren Vernetzung vor Ort im Einsatzgebiet. "Ein Schlüssel für nachhaltiges Peacebuilding" sei zudem "Local Ownership", also die Einbindung der Menschen und Strukturen vor Ort, so die ZIF-Geschäftsführerin. Das ZIF wolle mit seiner Arbeit, der Entsendung von Fachkräften für den zivilen Teil von Auslandseinsätzen, dazu beitragen, durch die Stimmen und Erfahrungen aus Einsätzen "Einsatzwissen" zu sammeln und dieses für künftige Missionen nutzbar zu machen.
Wie stark unterschiedliche Rechtsgrundlagen sowie unterschiedliche Aufträge und Befugnisse der verschiedenen Mandate in Afghanistan die Koordinierung der Einsatzkräfte behindert haben, darauf wies Norbert Hausmann hin, Rechtsberater im Einsatzführungskommando der Bundeswehr. Nach seiner Meinung würden ressortüberschreitende Operationen vernetzter Kräfte erleichtert, wenn sie auf denselben völker- und gegebenenfalls verfassungsrechtlichen Grundlagen basierten und die jeweiligen Aufträge ein entsprechendes Zusammenwirken bereits vorsähen.
Der Soldat im Fokus der Rechtsberatung
Der Bundeswehr-Jurist gab allerdings zu bedenken, dass deutsches Recht im Ausland grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar sei. Es werde dort für die Soldaten über Dienstvorschriften, die Ausnahmeregelungen zum Abweichen von inländischen Standards enthielten, angeordnet. Da Einsatzregeln immer auf dem rechtlichen Rahmen, dem Auftrag und den sonstigen operativen und politischen Vorgaben für die jeweiligen Kräfte basierten, dürfte der Versuch einer ressortübergreifenden Harmonisierung schnell an Grenzen stoßen.
Auch wies Hausmann darauf hin, dass Fehlentscheidungen im Einsatz für die handelnden Personen grundsätzlich zu den gleichen rechtlichen Konsequenzen führten wie im Inland. Um der damit einhergehenden Verunsicherung bei den Soldatinnen und Soldaten zu begegnen, versuchten Rechtsberatungsstabsoffiziere im Rahmen der Ausbildung "durch Aufklärung über die rechtsstaatlichen Erfordernisse und Abläufe Handlungssicherheit zu erzeugen".
Die militärischen Einsatzkräfte erhielten zudem Hilfestellung beim Rechtsschutz, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft sei eingerichtet sowie die Funktion eines Rechtsberaters des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr als alleiniger Ansprechpartner für die zuständigen Staatsanwaltschaften. Das "operative Recht" bei der Operationsführung und die entsprechende Rechtsberatung hätten unter dem Eindruck des Afghanistaneinsatzes deutlich an Bedeutung gewonnen. Beides werde im Hinblick auf die neue Schwerpunktsetzung hin zur Landes- und Bündnisverteidigung weiter zunehmen, so der Experte.
Die Bundeswehr war seit 2002 in Afghanistan tätig; im Sommer 2021 hatte die Regierung den Bundestag um Zustimmung zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan gebeten. Der Bundestag hat im Sommer 2022 die Enquete-Kommission Afghanistan eingesetzt, die den deutschen Einsatz am Hindukusch aufarbeiten und Lehren für die künftigen Auslandseinsätze deutscher Soldatinnen und Soldaten ziehen soll. Ein erster Zwischenbericht erfolgte im Februar 2024.