Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten hatten sich bereits im Dezember auf eine Lieferketten-Richtlinie geeinigt. Damit sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar sind. Das EU-Parlament muss dem Vorhaben noch zustimmen. Hier gilt eine Mehrheit als wahrscheinlich.
Deutschland hatte sich im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten enthalten. Eine Enthaltung in dem Gremium wirkt wie eine Nein-Stimme. In der Bundesregierung drängte die FDP darauf, dass Deutschland nicht zustimmt. Die Liberalen befürchten, dass sich Betriebe aus Angst vor Bürokratie und rechtlichen Risiken aus Europa zurückziehen. Politiker von SPD und Grünen befürworten das Vorhaben hingegen. Die Unstimmigkeiten hatten zu einem offenen Schlagabtausch in der Ampel-Koalition geführt. Zuletzt hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am 7. März einen Kompromissvorschlag für die EU-Lieferkettenrichtlinie abgelehnt.
Auch abgeschwächte EU-Regelungen gehen noch weiter als deutsche
Weil die Einigung aus dem Dezember zunächst keine ausreichende Mehrheit unter den EU-Staaten gefunden hatte, wurde das Vorhaben nochmal deutlich abgeschwächt. Statt wie ursprünglich geplant, soll es etwa nicht mehr schon für Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz gelten. Die Grenze wurde den Angaben zufolge auf 1.000 Beschäftigte und 450 Millionen Euro angehoben – nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren, in der sich die Regeln stufenweise an diesen Geltungsbereich herantasten. Nach drei Jahren sollen die Vorgaben zunächst für Firmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz weltweit gelten, nach vier Jahren sinkt die Grenze auf 4.000 Mitarbeitende und 900 Millionen Umsatz. Die EU-Kommission soll eine Liste der betroffenen Nicht-EU-Unternehmen veröffentlichen. Für sie könnten die Vorgaben gelten, wenn sie mit ihrem Geschäft einen bestimmten Umsatz in der EU erzielen.
Zudem wurden sogenannte Risikosektoren gestrichen, also Wirtschaftszweige, in denen das Risiko für Menschenrechtsverletzungen als höher bewertet wird, wie etwa die Landwirtschaft oder die Textilindustrie. Dort hätten auch Unternehmen mit weniger Mitarbeitenden betroffen sein können. Vorgesehen ist aber weiterhin, dass Unternehmen vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen profitieren.
Deutschland hat bereits ein Lieferkettengesetz. Die EU-Version geht aber trotz der Abschwächungen über dessen Vorgaben hinaus. So ist im deutschen Gesetz ausgeschlossen, dass Unternehmen für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar sind.
FDP bleibt bei ihrer Kritik
Die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, Anna Cavazzini (Grüne), kritisierte: "Deals zwischen Regierungen und immer weitere Abschwächungen eines ausgehandelten Texts haben das etablierte Gesetzgebungsverfahren missachtet und das Europaparlament düpiert." Die FDP habe ihre Blockadehaltung bis zum Schluss beibehalten, obwohl der vorgeschlagene Kompromiss ihren Forderungen entgegengekommen sei. Ein Bundeskanzler, der einen solch großen Schaden zu verantworten habe, sollte seinen europapolitischen Kompass prüfen.
Die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Unterm Strich bleibt das Lieferkettengesetz praxisfern, weil grundlegende Probleme wie unklare Haftungsregeln außerhalb des eigenen Einflussbereichs bestehen bleiben." Es sei aber der FDP zu verdanken, dass die Regeln an vielen Stellen verbessert worden seien.