Hintergrund ist der Druck des Bundesjustizministeriums auf oberste Bundesgerichte zu Einsparungen, über den beck-aktuell exklusiv bereits im März berichtet hat. Aufgelöst wird der bisherige XI. Senat, der wie auch der V. Senat unter anderem für Umsatzsteuer zuständig ist – was ohnehin zu kompliziertem Abstimmungsbedarf geführt hat. Verfahren zur Umsatzsteuer übernimmt nun nur noch der V. Senat, wie Gerichtspräsident Hans-Josef Thesling am Donnerstag mitteilte. Die ebenfalls dem XI. Senat zugeordnete Materie des Bilanzsteuerrechts übernimmt künftig der IX. Senat, der sich bereits mit Vermietung und Verpachtung sowie privaten Veräußerungsgeschäften befasst. Aus elf Fachsenaten werden damit zehn nebst dem Großen Senat, der bei internen Streitigkeiten entscheidet.
Thesling versicherte: "Die Reduzierung der Senate führt zu keiner Beeinträchtigung des effektiven Rechtsschutzes." Der BFH werde weiterhin in gewohnter und von den Steuerbürgerinnen und -bürgern erwarteter kompetenter Weise Recht sprechen. Hintergrund ist die stetige Abnahme neuer Fälle am obersten Steuer- und Zollgericht. Über alle Verfahrensarten sind die Eingangszahlen im vergangenen Jahr zwar nicht mehr zurückgegangen und bei den Revisionen sogar leicht angestiegen, wie der Gerichtspräsident im Februar vor der Presse mitgeteilt hatte. Doch habe die "Erfolgsquote", bei der Bürger zumindest teilweise recht bekamen, im Jahr 2024 nur 14% betragen. Der Gesetzgeber solle daher erwägen, die Zugangshürden dafür zu lockern. Thesling vermutete zudem eine geringere Streitanfälligkeit, weil in den Finanzämtern immer weniger Steuerbescheide von Menschen erstellt werden, sondern von Computerprogrammen, die nur ausgewählte Steuererklärungen je nach bestimmten Risiken, wechselnden Prüffeldern sowie anhand von Stichproben prüfen.
Rückgang an fast allen Bundesgerichten
Doch auch bei den anderen obersten Bundesgerichten, die zum Zuständigkeitsbereich des Bundesjustizministeriums gehören – dem BVerwG und dem BGH –, wünscht man sich dem Vernehmen nach ein Abspecken. So sind am obersten Zivil- und Strafgericht längst nicht alle Senate ausgelastet, wie aus Karlsruhe zu hören ist. Im vergangenen Jahr trafen dort im Zivilrecht 3.105 neue Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden ein, 2023 waren es noch 4.157. Ein Trend, der sich seit Langem auch drastisch in den unteren Instanzen zeigt und unter anderem mit dem Vormarsch der Legal-Tech-Anbieter zu tun haben mag. An den sechs Strafsenaten sieht dies allerdings anders aus: Dort gab es einen Anstieg von 3.180 auf 3.733 – der Höchstwert in der Zehn-Jahres-Statistik.
Am BVerwG blieb die Zahl der Verfahrenseingänge zwar 2024 gegenüber dem Vorjahr nahezu gleich. Als dort im Herbst 2022 Andreas Korbmacher den Chefposten antrat, verwies er im Interview mit der NJW (NJW-aktuell H. 2022/46, 12 f.) allerdings auf einen deutlichen Rückgang der Eingangszahlen. Das Gericht werde "gut mit Personal versorgt", sagte er: "Im nächsten Jahr sollen wir über unseren eigentlichen Bedarf hinaus einen weiteren Senat bekommen, der sich vornehmlich mit eilbedürftigen Planungsverfahren befassen kann." Der Ampelregierung war an einer Beschleunigung der Energiewende gelegen.
Die unteren Instanzen haben freilich weiterhin mit einer Flut von Klagen im Asyl- und Ausländerrecht zu kämpfen. Auch sind die Leipziger Bundesrichter zunehmend in erster Instanz für Prozesse zuständig, sogar – obwohl eigentlich Revisionsinstanz – für manche Grundsatzentscheidungen in Tatsachenfragen etwa zur Menschenrechtslage in Abschiebestaaten. Andererseits plant die schwarz-rote Koalition die Verschiebung diverser "Kernmaterien" von den Verwaltungs- zu den Sozialgerichten (NJW-aktuell H. 27/2025, 3).
Für BAG und BSG ist hingegen Bundesarbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) zuständig. Inken Gallner hatte für die Erfurter Arbeitsrichter im März einen geringfügigen Rückgang neuer Akten um 76 Verfahren bzw. 5,46% vermeldet. Dort sieht der Regierungsentwurf für den Haushalt 2026 laut dem Ministerium 36 statt wie bisher 38 Richterstellen vor.* Am obersten Sozialgericht freute sich die neue Präsidentin Christine Fuchsloch im Februar über eine "echte Trendumkehr": Über alle Verfahrensarten hinweg seien die Eingangszahlen nicht mehr zurückgegangen und bei den Revisionen sogar leicht angestiegen. Dort bleibt es den Etatplanungen zufolge unverändert bei 42 Urteilsfindern.*
(* Planungen zu BAG und BSG ergänzt. jja, 31.7.2025, 16.05 Uhr)