Can­na­bis im Ver­kehr – Ex­per­ten for­dern schär­fe­re Re­geln
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Wer Al­ko­hol trinkt und Can­na­bis raucht, ist eine Ge­fahr für den Stra­ßen­ver­kehr, war­nen Ex­per­ten – und for­dern schär­fe­re Grenz­wer­te für die­sen Misch­kon­sum. Zu lo­cker seien die Re­geln auch mit Blick auf Men­schen mit Miss­brauchs­pro­ble­men.

Ak­tu­ell ist es er­laubt, mit we­ni­ger als 3,5 Na­no­gramm THC pro Mil­li­li­ter Blut sowie we­ni­ger als 0,5 Pro­mil­le Al­ko­hol im Blut Auto zu fah­ren – so­fern der Stra­ßen­ver­kehr nicht an­der­wei­tig ge­fähr­det wird, teil­te das Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um mit.

"Das Thema Misch­kon­sum ist bis­her unter dem Radar", sagte dazu die Lei­te­rin der Un­fall­for­schung der Ver­si­che­rer, Kirs­tin Zeid­ler. Dabei habe Misch­kon­sum be­reits in ge­rin­gem Aus­maß Aus­wir­kun­gen auf die Fahr­tüch­tig­keit. Und: "2022 lag bei jedem zwei­ten töd­li­chen Un­fall unter Dro­gen­ein­fluss Misch­kon­sum vor."

Die Er­laub­nis für den be­grenz­ten Misch­kon­sum müsse daher ge­stri­chen wer­den. Zudem brau­che es mehr Auf­klä­rung zu dem Thema sowie ge­naue­re Schnell­tests, die den ge­nau­en THC-Wert im Blut be­stim­men und nicht nur die An­we­sen­heit des Stoffs.

Can­na­bis im Ver­kehr: der­zei­ti­ge Re­ge­lun­gen

Vom 29. Ja­nu­ar an wol­len Fach­leu­te beim Ver­kehrs­ge­richts­tag in Gos­lar über das Thema Can­na­bis im Ver­kehr spre­chen und dabei auch eine erste Bi­lanz der neuen Re­ge­lun­gen seit der Le­ga­li­sie­rung zie­hen. "Erst­mals seit der Teil­le­ga­li­sie­rung kom­men ver­schie­de­ne Fach­leu­te in grö­ße­rer Runde zu­sam­men", sagte der Ver­kehrsprä­si­dent des ADAC, Ger­hard Hil­le­brand. Der drei­tä­gi­ge Kon­gress zählt jedes Jahr zu den wich­tigs­ten Tref­fen von Ver­kehrs­si­cher­heits- und Ver­kehrs­rechts­ex­per­ten in Deutsch­land und endet mit Emp­feh­lun­gen an den Ge­setz­ge­ber.

Nach der be­grenz­ten Frei­ga­be von Can­na­bis für Voll­jäh­ri­ge am 1. April wur­den im Som­mer auch die Ver­kehrs­re­geln an­ge­passt. Seit­dem gilt: Wer mit 3,5 Na­no­gramm THC oder mehr je Mil­li­li­ter Blut un­ter­wegs ist, ris­kiert in der Regel 500 Euro Bu­ß­geld und einen Monat Fahr­ver­bot.

Wer zu­sätz­lich Al­ko­hol ge­trun­ken hat, muss mit einer hö­he­ren Geld­stra­fe rech­nen. Für Fahr­an­fän­ge­rin­nen und Fahr­an­fän­ger gilt wie beim Al­ko­hol eine Null-To­le­ranz-Re­ge­lung. Bei Men­schen, die Ge­fahr­gut oder Men­schen be­för­dern, fehle eine sol­che Re­ge­lung, kri­ti­sier­te die Ge­werk­schaft der Po­li­zei (GdP).

Psy­cho­lo­gin: Füh­rer­schein­ent­zug bei ers­tem Ver­stoß er­mög­li­chen 

Die Psy­cho­lo­gin Yvon­ne Muf­fert von der Deut­schen Ge­sell­schaft für Ver­kehrs­psy­cho­lo­gie be­rich­te­te, dass der Füh­rer­schein in der Regel erst beim zwei­ten Ver­stoß ent­zo­gen und eine me­di­zi­nisch-psy­cho­lo­gi­sche Un­ter­su­chung (MPU) an­ge­ord­net werde. Beim ers­ten Ver­stoß sei das nur bei an­der­wei­ti­gen Auf­fäl­lig­kei­ten mög­lich.

Weil die nicht aus­rei­chend de­fi­niert seien, kämen Erst­tä­ter für ge­wöhn­lich mit der sym­bo­li­schen Gel­ben Karte davon. Men­schen mit Miss­brauchs­pro­ble­men oder gar Dro­gen­ab­hän­gi­ge seien damit wei­ter­hin im Stra­ßen­ver­kehr un­ter­wegs. Muf­fert for­dert klare Hand­lungs­an­wei­sun­gen, um Men­schen di­rekt beim ers­ten Dro­gen­ver­stoß aus dem Ver­kehr zie­hen und eine MPU an­ord­nen zu kön­nen. Neben dem THC-Wert müss­ten etwa auch Misch­kon­sum oder Be­gleit­um­stän­de be­rück­sich­tigt wer­den, meint Un­fall­for­sche­rin Zeid­ler.

Die MPU diene schlie­ß­lich nicht nur der Ver­kehrs­si­cher­heit, son­dern auch den Be­trof­fe­nen. "Der Füh­rer­schein­ent­zug ist für viele ein An­stoß, sich mit den ei­ge­nen Pro­ble­men aus­ein­an­der­zu­set­zen", so Zeid­ler. Für die MPU selbst brau­che es zudem neue Be­ur­tei­lungs­vor­ga­ben, for­dert ADAC-Ver­kehrs­recht­ler Hil­le­brand, der auch für den Deut­schen An­walt­ver­ein aktiv ist. Die bis­he­ri­gen An­wei­sun­gen seien mit Blick auf Can­na­bis-Kon­su­men­ten ver­al­tet, kri­ti­sier­ten Hil­le­brand und Muf­fert.

Un­fall­for­scher: Grenz­wert kom­plett strei­chen

Noch wei­ter geht Sieg­fried Brock­mann, Ge­schäfts­füh­rer für Ver­kehrs­si­cher­heit und Un­fall­for­schung bei der Björn Stei­ger Stif­tung. Er for­dert, den 3,5-Na­no­gramm-Grenz­wert kom­plett zu strei­chen. Zwar sei der aus wis­sen­schaft­li­cher Sicht in Ord­nung. Da sich Can­na­bis im Kör­per aber deut­lich we­ni­ger li­ne­ar ab­baue als etwa Al­ko­hol, sei die Fahr­tüch­tig­keit viel schwie­ri­ger ein­zu­schät­zen. Auch Psy­cho­lo­gin Muf­fert wies auf die­ses Ri­si­ko hin.

Bi­lan­zie­ren­de Zah­len zu den neuen Can­na­bis-Re­geln sind bis­her rar. Laut einer Um­fra­ge der Björn Stei­ger Stif­tung unter Men­schen in Sach­sen und Nie­der­sach­sen hat sich deren Kon­sum­ver­hal­ten zwi­schen Früh­jahr und Win­ter 2024 auch kaum ver­än­dert.

Au­to­mo­bil­clubs mit ähn­li­chen For­de­run­gen

Bes­se­re Schnell­tests for­dern der Au­to­mo­bil­club von Deutsch­land, die Deut­sche Po­li­zei­ge­werk­schaft (DPolG) und die GdP. Aus Er­he­bun­gen vor der Teil­le­ga­li­sie­rung wisse man, dass in etwa 20% der Fälle der ak­tu­el­le THC-Grenz­wert nicht über­schrit­ten werde, sagte der stell­ver­tre­ten­de GdP-Bun­des­vor­sit­zen­de Mi­cha­el Mer­tens. Auch diese Men­schen müss­ten der­zeit aber wegen zu un­ge­nau­er Tests Blut­pro­ben ab­ge­ben.

Der ADAC will zudem mehr Auf­klä­rung für Fahr­an­fän­ger, der Auto Club Eu­ro­pa mehr Schu­lun­gen für Po­li­zei­be­am­te. Zudem müsse Fah­ren unter Can­na­bis-Ein­fluss in der Ver­kehrs­un­fall­sta­tis­tik ein­zeln er­fasst wer­den, kri­ti­sier­te die DPolG. Bis­her wer­den alle il­le­ga­len Dro­gen sowie Can­na­bis zu­sam­men­ge­fasst. Auch Misch­kon­sum werde nicht er­fasst.

Redaktion beck-aktuell, bw, 24. Januar 2025 (dpa).

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