Sterbewillige dürfen keine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital kaufen
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Sterbewilligen bleibt der Erwerb des tödlichen Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital versagt. Dies sei verfassungskonform, um einen gefährlichen Miss- und Fehlgebrauch zu verhindern, so das BVerwG. Es gebe andere Möglichkeiten, um das eigene Leben medizinisch begleitet zu beenden.

Die Kläger leiden an schweren Erkrankungen und begehren eine Erlaubnis für den Erwerb von Natrium-Pentobarbital. Mit ihrem Anliegen scheiterten sie jetzt auch vor dem Bundesverwaltungsgericht, das die Erlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG versagte (Urteil vom 07.11.2023 – 3 C 8.22 und 3 C 9.22). Der Erwerb von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung sei nicht mit dem Zweck des BtMG vereinbar, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Bei der Beendigung des eigenen Lebens fehle die dafür erforderliche therapeutische Zielrichtung.

Zwar greife der Erlaubnisvorbehalt für den Erwerb von Betäubungsmitteln (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) in Verbindung mit der zwingenden Versagung einer solchen Erlaubnis für den Erwerb zum Zweck der Selbsttötung (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG) in das Recht des Einzelnen ein, selbstbestimmt die Entscheidung zu treffen, sein Leben eigenhändig bewusst und gewollt zu beenden. Dieses Recht ergebe sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, wie das BVerfG entschieden habe (Urteil vom 26.02.2020 – 2 BvR 2347/15 und andere). Erfasst sei auch das Recht zu bestimmen, wann und wie man das eigene Leben beenden will, zum Beispiel, dies mithilfe von Natrium-Pentobarbital zu tun.

Eingriff in Selbstbestimmungsrecht gerechtfertigt

Das BVerwG erachtet den Grundrechtseingriff aber für gerechtfertigt. Das BtMG verfolge mit dem generellen Verbot, Betäubungsmittel zum Zweck der Selbsttötung zu erwerben, das legitime Ziel, den Miss- und Fehlgebrauch tödlich wirkender Betäubungsmittel zu verhindern. Die Verbotsregelung sei geeignet und erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen. Sie sei vor dem Hintergrund, dass es auch andere zumutbare Möglichkeiten zur Verwirklichung eines Sterbewunsches gebe, auch angemessen.

Das BVerwG verweist auf die verbindlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts: Danach hätten Sterbewillige die realistische Möglichkeit, über eine Ärztin oder einen Arzt Zugang zu (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln zu erhalten, mit denen eine Selbsttötung durchgeführt werden kann. Diese Alternativen seien für die Sterbewilligen mit Belastungen verbunden. Sie müssten eine ärztliche Person finden, die bereit ist, die notwendige Unterstützung zu leisten. Auch könne die orale Anwendung der Arzneimittel Probleme bereiten, weil eine größere Menge eingenommen werden muss als bei der Lebensbeendigung mit Natrium-Pentobarbital. Das könne für Sterbewillige mit Schluckbeschwerden schwierig sein und erhöhe das Risiko von Komplikationen. Zwar könnten solche Arzneimittel auch intravenös eingesetzt werden. Das erfordere aber eine fachkundige medizinische Begleitung und belaste damit Sterbewillige, die – wie die Kläger – eine solche Begleitung nicht wünschen.

BVerwG sieht keine extreme Notlage

Diesen Belastungen der Sterbewilligen stünden aber wichtige Gemeinwohlbelange gegenüber, die durch die Nichteröffnung des Zugangs zu Natrium-Pentobarbital geschützt würden. Die Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung durch Miss- oder Fehlgebrauch des Mittels erachtet das BVerwG angesichts seiner tödlichen Wirkung und der einfachen Anwendbarkeit für besonders groß und so schwerwiegend, dass es das Verbot des Erwerbs von Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung für gerechtfertigt hält.

Für den konkreten Fall lehnt das BVerwG es auch ab, die Erwerbserlaubnis ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt einer extremen Notlage im Sinne des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.03.2017 (Az. 3 C 19.15) zu erteilen. Die Kläger befänden sich in keiner solchen Notlage, weil ihnen Alternativen zur Selbsttötung zur Verfügung stünden. Das gelte auch für den vom Schultergürtel abwärts gelähmten Kläger, für den wegen seiner Schluckbeschwerden nur ein intravenös anwendbares Arzneimittel in Betracht komme. Das OVG habe dargelegt, dass dieser das Mittel mithilfe eines Infusionsautomaten anwenden könnte, den er selbst steuert.

Hinweis der Redaktion: Die aktuelle Fassung dieser Meldung ersetzt eine direkt nach der Urteilsverkündung erschienene kürzere Version.

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BVerwG, Urteil vom 07.11.2023 - 3 C 8.22

Redaktion beck-aktuell, bw, 7. November 2023.