BVerwG hebt Verbot des "Compact"-Magazins auf
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Das rechtsextreme Magazin "Compact" kann weiter erscheinen. Das BVerwG hat das Verbot aufgehoben, das die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Sommer 2024 erlassen hatte. Die Äußerungen im Magazin seien letztlich von der Meinungsfreiheit gedeckt, so das Gericht.

Damit bestätigt das BVerwG nun auch im Hauptsacheverfahren, was es bereits einstweilen im vergangenen August entschieden hatte: Das Verbot der Compact-Magazin GmbH und ihrer Teilorganisation durch das Bundesinnenministerium auf Grundlage des Vereinsrechts war rechtswidrig (Urteil vom 24.06.2025 - 6 A 4.24).

Laut dem 6. Senat sei das Vereinsrecht zwar grundsätzlich auf Compact anwendbar, die Vereinigung erfülle jedoch nicht alle Voraussetzungen des eng auszulegenden Verbotsgrunds des Sichrichtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung (Art. 9 Abs. 2 Var. 2 GG, § 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 VereinsG). Auf diesen hatte das Ministerium sein Verbot gestützt.

Obwohl Compact durch polemisch zugespitzte Äußerungen auffalle, erwiesen sich die verbotsrelevanten Aktivitäten letztlich nicht als "für die Vereinigung prägend", so die Leipziger Richterinnen und Richter. Im Rahmen der Abwägung mit der Meinungs- und Pressefreiheit sowie mit der Vereinigungsfreiheit sei das Verbot daher nicht verhältnismäßig gewesen. Die Leipziger Richterinnen und Richter sind in erster und letzter Instanz für Klagen gegen Vereinsverbote zuständig.

Faeser: "Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene"

Das Innenministerium unter der damaligen Ministerin Nancy Faeser (SPD) hatte das Magazin im vergangenen Jahr verboten, weil es ein "zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene" sei. Laut Ministerium sei die Compact-Magazin GmbH um Chefredakteur Jürgen Elsässer seit längerem im Fokus des Verfassungsschutzes gewesen und sei Ende 2021 als gesichert rechtsextremistische Vereinigung eingestuft und beobachtet worden.

Die Organisation pflege enge Kontakte in die rechtsextreme Szene und verbreite in seinen Publikationen antisemitische, rassistische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte. Die Auflage des Compact-Magazins liegt nach Gerichtsangaben bei 40.000 Exemplaren, der Online-TV-Kanal erreicht bis zu 460.000 Klicks.

BVerwG verhandelte drei Tage lang

Gegen die Verbotsverfügung war die Compact-Magazin GmbH im August 2024 bereits mit Eilanträgen vor dem BVerwG erfolgreich gewesen. Die Richterinnen und Richter hatten damals vor allem Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Verbots angemeldet. Da Faesers Verfügung zu einer sofortigen Einstellung des gesamten Print- und Onlineangebots von Compact geführt hätte, komme dem Grundrecht der Pressefreiheit ein besonders Gewicht zu, erklärten die Bundesrichter dasmals. Ein Vereinsverbot dürfe die verfassungsrechtlich garantierte Meinungs- und Pressefreiheit nicht untergraben, so die Richterinnen und Richter.

Im Hauptsacheverfahren hatte das Gericht nun an drei Verhandlungstagen die jeweiligen – zum Teil noch nachgelieferten – Argumente einer gründlichen Prüfung unterzogen. Unter anderem hatte Compact-Anwalt Ulrich Vosgerau die Anwendung des Vereinsrechts kritisiert, da es sich bei Compact um ein Presseerzeugnis handele.

BVerwG: Meinungsfreiheit auch für Verfassungsfeinde

Die Anwendbarkeit des Vereinsrechts haben die Leipziger Richterinnen und Richter nun ohne Umschweife bejaht. Entgegen der Auffassung Vosgeraus stehe weder die Rechtsform der Compact-Magazin GmbH der Anwendbarkeit entgegen noch die Freiheit von Meinung, Presse und Medien, so die Richterinnen und Richter. Die Anwendung des Vereinsgesetzes sei auch mit Blick auf den Gesetzeszweck gerechtfertigt. Denn bei der Compact-Magazin GmbH handele es sich nicht nur um ein Presse- und Medienunternehmen. Vielmehr verfolge der maßgebliche Personenzusammenschluss um Jürgen Elsässer nach eigenem Selbstverständnis eine politische Agenda.

Trotzdem sei das Verbot im Ergebnis rechtswidrig, weil es mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit nicht gerechtfertigt sei, betont das BVerwG. "Das Grundgesetz garantiert selbst den Feinden der Verfassung die Meinungs- und Pressefreiheit", begründete der Vorsitzende Richter Ingo Kraft die Entscheidung. Zahlreiche polemische und zugespitzte Äußerungen in dem Magazin überschritten nicht die Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit und genössen den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG. Verbotsrelevante Äußerungen und Aktivitäten erreichten dagegen "noch" nicht die erforderliche Schwelle, um als für den Verein prägend zu gelten.

Elsässer sieht Erfolg auch für AfD

Compact-Chefredakteur Elsässer wertet den juristischen Erfolg in Leipzig als doppelten Erfolg. "Auch die AfD wird davon profitieren", sagte er nach der Verhandlung. Wenn es unmöglich sei, Compact zu verbieten, sei es auch unmöglich die AfD zu verbieten, so Elsässer. Sein Magazin sei "das Sturmgeschütz der Demokratie". Am kommenden Mittwoch will Elsässer auf Einladung der AfD im Potsdamer Landtag ausführlicher über die Verhandlung reden. "Wir sind die stärkste Stimme der Opposition. Und Sie werden noch mehr von uns hören."

Aber nicht nur der Chefredakteur äußerte sich nach dem Urteil positiv. Auch der Deutsche Journalisten-Verband sieht in der Aufhebung des Verbots eine "Bekräftigung des hohen Stellenwerts der Meinungs- und Pressefreiheit". "Die Gerichtsentscheidung darf nicht darüber hinwegtäuschen", so DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster, "dass Compact in vielen Artikeln rechtsextreme und menschenfeindliche Inhalte verbreitet, die mit den journalistischen Standards nichts am Hut haben." Dagegen vorzugehen sei richtig und wichtig. "Das Verbot eines ganzen Magazins muss dennoch das letzte Mittel bleiben."

"Mein Haus wird das Urteil sorgfältig auswerten", sagte der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). Schon jetzt sei jedoch klar: "Vereinsverbote bleiben ein anwendbares und mögliches Mittel gegen extremistische Bestrebungen."

BVerwG, Urteil vom 24.06.2025 - 6 A 4.24

Redaktion beck-aktuell, dd, 24. Juni 2025 (dpa).

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