BVer­wG setzt So­fort­voll­zug von Com­pact-Ver­bot teil­wei­se aus
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Im Juli hatte das In­nen­mi­nis­te­ri­um das Un­ter­neh­men hin­ter dem im rech­ten Spek­trum be­lieb­ten Ma­ga­zin Com­pact ver­bo­ten, nun bremst das BVer­wG: Ob sich das Un­ter­neh­men wirk­lich gegen die ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Ord­nung rich­te, liege nicht auf der Hand.

Das BVer­wG hat einem Eil­an­trag der COM­PACT-Ma­ga­zin GmbH, die vor we­ni­gen Wo­chen durch das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um (BMI) ver­bo­ten wor­den war, statt­ge­ge­ben. Damit wird die auf­schie­ben­de Wir­kung der zwi­schen­zeit­lich ein­ge­reich­ten Klage gegen die Ver­bots­ver­fü­gung wie­der­her­ge­stellt. Der Voll­zug des Ver­bo­tes ruht damit vor­erst (Be­schluss vom 14.08.2024 6 VR 1.24).

Mit Ver­bots­ver­fü­gung vom 5. Juni 2024 – voll­zo­gen am 16. Juli 2024 – hatte das BMI unter Be­ru­fung auf das Ver­eins­recht die COM­PACT-Ma­ga­zin GmbH ver­bo­ten, weil sie sich gegen die ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Ord­nung rich­te. Das BMI ar­gu­men­tier­te sei­ner­zeit, dass das Un­ter­neh­men in sei­nen Pu­bli­ka­tio­nen an­ti­se­mi­ti­sche, ras­sis­ti­sche, min­der­hei­ten­feind­li­che, ge­schichts­re­vi­sio­nis­ti­sche und ver­schwö­rungs­theo­re­ti­sche In­hal­te ver­brei­te, und "gegen ein plu­ra­lis­ti­sches Ge­sell­schafts­sys­tem, das die Men­schen­wür­de des Ein­zel­nen ach­tet und die freie und gleich­wer­ti­ge Teil­ha­be aller Staats­bür­ge­rin­nen und Staats­bür­ger an der po­li­ti­schen Wil­lens­bil­dung vor­sieht" agi­tie­re. Das BMI sieht das Com­pact-Ma­ga­zin als zen­tra­len Ak­teur der "Neuen Rech­ten", wofür unter an­de­rem enge Ver­bin­dun­gen zur rechts­ex­tre­mis­ti­schen "Iden­ti­tä­ren Be­we­gung" und zu Par­tei­en des rechts­ex­tre­mis­ti­schen Spek­trums sprä­chen.

Das Ver­eins­ver­bot auf Grund­la­ge von § 3 Abs. 1 S. 1 Var. 2, § 17 Nr. 1 Var. 1 Ver­einsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Var. 2 GG hat nicht nur die Auf­lö­sung der be­trof­fe­nen Ge­sell­schaft zur Folge, son­dern geht au­to­ma­tisch mit einem um­fas­sen­den Tä­tig­keits­ver­bot ein­her, das auch für Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­tio­nen gilt. Zudem er­laubt das Ver­bot, das Ge­sell­schafts­ver­mö­gen zu be­schlag­nah­men und ein­zu­zie­hen.

Darf man Pres­se­or­ga­ne mit einem Ver­eins­ver­bot "mund­tot" ma­chen?

Gegen die Ver­bots­ver­fü­gung haben so­wohl die COM­PACT-Ma­ga­zin GmbH als auch eine Teil­or­ga­ni­sa­ti­on und di­ver­se Mit­glie­der am 24. Juli Klage er­ho­ben, über die der Senat noch ge­son­dert ent­schei­den wird. Mit ihren Eil­an­trä­gen ver­such­ten sie nun, den Be­trieb als Pres­se- und Me­di­en­un­ter­neh­men vor­läu­fig wie­der zu er­mög­li­chen. Dem Eil­an­trag der Ge­sell­schaft gab das BVer­wG nun statt, wäh­rend die Ein­ga­ben der üb­ri­gen An­trag­stel­ler zu­rück­ge­wie­sen wur­den. Das Ge­richt sah die Er­folgs­aus­sich­ten der Klage gegen das Ver­eins­ver­bot als offen an - mit an­de­ren Wor­ten: Dass das Ver­bot im End­ef­fekt hält, hal­ten die Leip­zi­ger Rich­te­rin­nen und Rich­ter für kei­nes­wegs aus­ge­macht.

Das mag nicht zu­letzt daran lie­gen, dass der Fall di­ver­se ge­wich­ti­ge Rechts­fra­gen auf­wirft. Zu­vor­derst fragt sich, ob die Tä­tig­keit eines Pres­se­or­gans – und ein sol­ches war, bzw. ist das Com­pact-Ma­ga­zin wohl – mit den Mit­teln eines Ver­eins­ver­bots un­ter­sagt wer­den darf. Diese Frage be­zieht sich schon auf die An­wend­bar­keit des Ver­eins­rechts, aber auch auf die Frage, wel­che Rolle die Pres­se­frei­heit bei der Ent­schei­dung über das Ver­bot spielt. Das Ver­bot war des­halb von zahl­rei­chen Stim­men – nicht nur aus dem rech­ten Lager – kri­ti­siert wor­den.

So mo­nier­te die Ha­bi­li­tan­din Paula Rhein-Fi­scher im Ver­fas­sungs­blog, das Ver­eins­ver­bot könne nicht als Rechts­grund­la­ge her­an­ge­zo­gen wer­den, wenn es dem In­nen­mi­nis­te­ri­um ge­ra­de darum gehe, die Tä­tig­keit eines Pres­se­or­gans zu ver­hin­dern. In die­sem Fall wäre der Bund je­doch über­haupt nicht zu­stän­dig, denn das Pres­se­recht liegt in der Kom­pe­tenz der Län­der. Dass es dem BMI hier vor allem um das Ma­ga­zin und nicht die da­hin­ter­ste­hen­de GmbH ging, gab es selbst da­durch zu er­ken­nen, dass es in einer Pres­se­mit­tei­lung ver­kün­de­te, "das Ma­ga­zin 'COM­PACT'" ver­bo­ten zu haben.

Auch der Rechts­an­walt David Wer­der­mann er­klär­te das Ver­bot be­reits kurz nach Be­kannt­wer­den für "wahr­schein­lich rechts­wid­rig", da das In­nen­mi­nis­te­ri­um un­zu­läs­si­ger­wei­se das Ver­eins­recht in­stru­men­ta­li­sie­re, um eine Zei­tung zu ver­bie­ten. Au­ßer­dem hätte man erst ver­su­chen müs­sen, gegen kon­kre­te Bei­trä­ge vor­zu­ge­hen, bevor "ein gan­zes Me­di­um platt­ge­macht wird", schrieb Wer­der­mann da­mals auf "X".

BVer­wG: Ver­eins­ge­setz ist an­wend­bar

Das BVer­wG führt nun dazu aus, es be­stün­den "keine Be­den­ken gegen die An­wend­bar­keit des Ver­eins­ge­set­zes". Alles spre­che auch dafür, dass die Ver­bots­ver­fü­gung for­mell recht­mä­ßig sei. In ma­te­ri­el­ler Hin­sicht komme es al­ler­dings dar­auf an, ob das Un­ter­neh­men den eng aus­zu­le­gen­den Ver­bots­grund des Sich­rich­tens gegen die ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Ord­nung er­fül­le, so das Ge­richt. Dies könne man im Mo­ment noch nicht ab­schlie­ßend be­ur­tei­len.

Das Ge­richt sah sich im Eil­ver­fah­ren auch die Ver­öf­fent­li­chun­gen des Ma­ga­zins an, die das BMI ma­ß­geb­lich zur Grund­la­ge sei­nes Ver­bo­tes ge­macht hatte. Ein­zel­ne Aus­füh­run­gen darin lie­ßen durch­aus "An­halts­punk­te ins­be­son­de­re für eine Ver­let­zung der Men­schen­wür­de (Art. 1 Abs. 1 GG)" er­ken­nen, ge­stand das BVer­wG zu. In vie­len Bei­trä­gen sei zudem eine kämp­fe­risch-ag­gres­si­ve Hal­tung ge­gen­über ele­men­ta­ren Ver­fas­sungs­grund­sät­zen aus­zu­ma­chen. Gleich­wohl wür­dig­te das Ge­richt auch, dass im Lich­te der Mei­nungs- und Pres­se­frei­heit ein Gro­ß­teil der Bei­trä­ge des Com­pact-Ma­ga­zins nicht zu be­an­stan­den sei. Ob die pro­ble­ma­ti­schen Ver­öf­fent­li­chun­gen indes der­art prä­gend sind, dass davon aus­zu­ge­hen wäre, dass sich die ge­sam­te Or­ga­ni­sa­ti­on gegen die ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Ord­nung rich­tet, daran hatte man Zwei­fel. Schlie­ß­lich wür­dig­te das Ge­richt auch mög­li­che mil­de­re Mit­tel, wie "pres­se- und me­di­en­recht­li­che Maß­nah­men, Ver­an­stal­tungs­ver­bo­te, orts- und ver­an­stal­tungs­be­zo­ge­ne Äu­ße­rungs­ver­bo­te sowie Ein­schrän­kun­gen und Ver­bo­te von Ver­samm­lun­gen".

DJV kri­ti­siert Ver­bot als "Schnell­schuss"

Im Eil­ver­fah­ren ent­schei­det das Ge­richt sol­che Fra­gen na­tur­ge­mäß nicht ab­schlie­ßend, son­dern stellt eine Ab­wä­gung an, ob das Aus­set­zungs­in­ter­es­se der be­trof­fe­nen Ver­ei­ni­gung das öf­fent­li­che In­ter­es­se an der so­for­ti­gen Voll­zie­hung des Ver­bots über­wiegt. Ma­ß­geb­lich dafür sind die Er­folgs­aus­sich­ten in der Haupt­sa­che, aber auch die Aus­wir­kun­gen, die ein so­for­ti­ger Voll­zug des Ver­bots hätte. Da die Voll­zie­hung zur so­for­ti­gen Ein­stel­lung des ge­sam­ten Print- und On­line­an­ge­bots führe, komme dem In­ter­es­se der COM­PACT-Ma­ga­zin GmbH an der Aus­set­zung des Ver­bo­tes im Hin­blick auf die Mei­nungs- und Pres­se­frei­heit aus Art. 5 Abs. 1 GG ein be­son­de­res Ge­wicht zu, so das BVer­wG. Dem Be­dürf­nis des BMI, die pu­bli­zis­ti­sche Tä­tig­keit auf Dauer zu ver­bie­ten, könne an­der­wei­tig Rech­nung ge­tra­gen wer­den.

Auch der Deut­sche Jour­na­lis­ten-Ver­band kri­ti­sier­te nach dem Be­schluss aus Leip­zig noch­mals das Ver­bot des BMI. In der Ent­schei­dung des BVer­wG sehe man "ein kla­res Be­kennt­nis des Ge­richts zum Grund­recht der Pres­se­frei­heit", heißt es in einer Mit­tei­lung des Ver­ban­des.

DJV-Bun­des­vor­sit­zen­der Mika Beus­ter ließ sich zi­tie­ren: "Damit steht fest, dass das Com­pact-Ver­bot ein po­li­ti­scher Schnell­schuss war, der heute nach hin­ten los­ging." Vor den Kon­se­quen­zen eines sol­chen Schnell­schus­ses habe man be­reits bei Be­kannt­ga­be des Com­pact-Ver­bots ge­warnt. Beus­ter fügte hinzu: "Ich würde es be­grü­ßen, wenn die Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin ihren be­rech­tig­ten Kampf gegen den Rechts­ex­tre­mis­mus unter Be­ach­tung der ver­brief­ten Grund­rech­te führt." Der po­li­ti­sche Flur­scha­den sei sonst im­mens.

BVerwG, Beschluss vom 14.08.2024 - 6 VR 1.24

Redaktion beck-aktuell, Maximilian Amos, 14. August 2024.

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