Bundestag erleichtert staatlichen Zugriff auf Energieunternehmen

Der Staat soll künftig leichter auf Energieunternehmen zugreifen können, wenn erhebliche Engpässe bei der Versorgung drohen. Der Bundestag stimmte einer Reform des Energiesicherungsgesetzes aus dem Jahr 1975 zu. Firmen können bei Bedarf unter eine Treuhandverwaltung gestellt und zur Gewährleistung der Energieversorgung als ultima ratio enteignet werden. Die Novelle wird voraussichtlich kommenden Freitag den Bundesrat passieren.

EU diskutiert Embargo für russische Öl-Importe

Hintergrund der Anpassung sind die Folgen des Ukraine-Krieges. Konsequenzen könnte das Gesetz für die PCK-Raffinierie im brandenburgischen Schwedt an der Oder haben, die äußerst wichtig ist für die Ölversorgung Ostdeutschlands. Sie verarbeitet bisher in erster Linie russisches Öl. PCK gehört mehrheitlich Rosneft Deutschland, einer Tochtergesellschaft des russischen Staatskonzerns Rosneft. Wegen des auf EU-Ebene diskutierten Embargos für russische Öl-Importe sucht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach alternativen Öl-Quellen für Schwedt über Rostock, möglicherweise auch über Danzig. Auch im Gasbereich könnte das Gesetz noch eine Rolle spielen.

Treuhandverwaltung oder Enteignung nur bei "konkreter Gefahr"

Unternehmen im Energiebereich gehören in Deutschland zur kritischen Infrastruktur. Das heißt, sie haben für das tägliche Leben eine besondere Bedeutung, weshalb eigene Vorgaben gelten. Wenn die "konkrete Gefahr" besteht, dass ein Unternehmen seine Aufgaben nicht erfüllt und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht, kann es mit dem reformierten Gesetz vorübergehend unter Treuhandverwaltung gestellt werden. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, wird bei Unternehmen der kritischen Infrastruktur als letztes Mittel auch die Möglichkeit einer Enteignung geschaffen.

Gasversorger dürfen im Alarm- oder Notfall Preise erhöhen

Falls insbesondere die Gasimporte nach Deutschland erheblich reduziert sind, bekommen Gasversorger zudem das Recht, ihre Preise anzupassen - also zu erhöhen. Voraussetzung ist, dass die zweite oder dritte Stufe im Notfallplan Gas, die Alarm- oder Notfallstufe, offiziell festgestellt worden sind. Kunden müssen darüber rechtzeitig informiert werden und haben ein Kündigungsrecht. Die Ausnahmeregelung für zeitweilig erhöhte Preise erlischt, wenn die Bundesnetzagentur formal ein Ende des Mangels feststellt.

Nur wenig Kritik aus der Opposition

Während der AfD-Politiker Rainer Kraft der Koalition ein schlecht und hastig gemachtes Gesetz und "neokommunistische Ideen" vorwarf, signalisierten die anderen beiden Oppositionsfraktionen CDU/CSU und Linke grundsätzliche Unterstützung. Der CDU-Politiker Mark Helfrich sagte, die Union hätte die Ampel gerne unterstützt, habe aber Bauchschmerzen beim Punkt der Preisanpassung im Falle von Gasknappheit. Deshalb könne sich die Union nur enthalten. Für die Linke kritisierte der Abgeordnete Matthias Birkwald, dass staatlich kontrollierte Unternehmen nach Abklingen der Gefahr für die Versorgungssicherheit wieder privatisiert werden sollen. Trotzdem stimme die Linke dem Gesetz zu.

Miriam Montag, Redaktion beck-aktuell, 13. Mai 2022 (dpa).