0,028% fehlen: BSW überlegt, knappes Wahlergebnis anzufechten

Nach dem sehr knappen Scheitern bei der Bundestagswahl erwägt das BSW eine rechtliche Überprüfung des Ergebnisses. Dies kündigten die Vorsitzenden Sahra Wagenknecht und Amira Mohamed Ali an. Eine Expertin sieht wenig Erfolgschancen.

Das BSW war bei der Bundestagswahl am Sonntag mit 4,972% der Stimmen denkbar knapp an der 5%-Hürde gescheitert. Eine mögliche rechtliche Handhabe sieht die Parteispitze, weil von den 230.000 registrierten Wahlberechtigten im Ausland wegen kurzer Fristen viele ihre Stimme nicht hätten abgeben können.

Wagenknecht sagte, es hätten nur etwa 13.400 Stimmen zum Einzug in den Bundestag gefehlt. "Das ist nicht von der Hand zu weisen, dass das durchaus bei einer flächendeckenden Wahl der Auslandsdeutschen möglich gewesen wäre." Es stelle sich daher die Frage nach dem rechtlichen Bestand des Ergebnisses.

Viele Auslandsdeutsche beklagen, ihre Wahlunterlagen zu spät erhalten zu haben. Die Parteienrechtsexpertin Sophie Schönberger hält es trotzdem für unwahrscheinlich, dass eine Wahlanfechtung in diesem Punkt Erfolg haben könnte. "Ich sehe keinen Hebel für eine Verfassungsklage", sagte die Co-Direktorin des Düsseldorfer Universitätsinstituts für Parteienrecht der "Zeit".

Weiter sagte sie: "Das ist eine sehr ärgerliche Folge der kurzen Frist zwischen Vertrauensfrage und Neuwahlen. Ich verstehe, dass viele Menschen frustriert sind." Dennoch gebe es keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Briefwahl. Sie sehe keine Vorschrift im Wahlrecht, die zum Beispiel eine bestimmte Frist für die Zustellung von Briefwahlunterlagen vorschreibe.

Auslandsdeutschen steht es frei in Deutschland zu wählen

"Allen Auslandsdeutschen steht es ja frei, zur Wahl nach Deutschland zu kommen und ihre Stimme hier abzugeben. Ich weiß, das ist für viele utopisch, aber deshalb wird das Verfassungsgericht die Wahl nicht annullieren", erklärte Schönberger. "Jede Wählerin, jeder Wähler kann ja wählen, auch die im Ausland. Ich habe nur keinen Anspruch darauf, auf dem bequemsten Weg zu wählen. Das ist der Punkt."

Das Problem lasse sich einfach lösen, wenn Auslandsdeutsche vor Ort in den deutschen Botschaften und Konsulaten wählen dürften. "Das würde ich für sinnvoll halten, aber es ist eben verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten. Es ist eine politische Entscheidung, das zuzulassen", sagte Schönberg.

Strafanzeige gegen X geplant

Mohamed Ali verwies zudem auf mögliche Verwechslungen des BSW mit der Partei Bündnis Deutschland in einigen Wahllokalen, etwa in Aachen. Man müsse sehen, ob dies relevant sei. Sie sagte: "Wir werden die Sache jetzt juristisch überprüfen lassen."

Strafanzeige will Wagenknecht nach eigenen Worten stellen, weil am Wahltag nach ihrer Darstellung falsche Umfragewerte auf der Plattform X veröffentlicht worden seien. Dort sei das BSW nur mit 3% angegeben worden. Das habe Wählerinnen und Wähler womöglich beeinflusst.

Wagenknecht wiederholte auch ihre Vorwürfe, dass das BSW im Wahlkampf von Medien ausgegrenzt und von einzelnen Umfrageinstituten bewusst mit zu niedrigen Werten geführt worden sei. Dass ein Institut das BSW weniger als 48 Stunden vor der Wahl auf 3% "gesetzt" habe, das "war keine Wahlprognose, sondern eine gezielte Aktion, zur Manipulation von Wahlverhalten". Das BSW hatte vor der Wahl unter anderem darum gekämpft, bei der "ARD Wahlarena" berücksichtigt zu werden, scheiterte damit aber.

Wagenknecht lässt Frage nach Rückzug offen

Die Parteichefin war im Oktober 2023 nach langem Streit aus der Linken ausgetreten und hatte Anfang 2024 das BSW gegründet. Vor einigen Tagen hatte sie gesagt: "Die Wahl ist natürlich auch die Entscheidung über meine politische Zukunft. Wer nicht im Bundestag ist, ist in der deutschen Politik kein relevanter Faktor mehr." 

Auf einen Rückzug von der Parteispitze wollte sie sich aber am Tag nach der Wahl nicht festlegen. Dies werde in den Gremien beraten, sagte Wagenknecht in Berlin. Wenn es ein Ergebnis gebe, werde man dies mitteilen. Auf Nachfrage sagte sie: "Ich weiß, dass Sie das sehr gerne jetzt hören möchten, und deshalb werde ich Ihnen diesen Gefallen jetzt nicht tun."

Wagenknecht räumte ein, dass das Ergebnis einen bitteren Beigeschmack habe. "Dass sich unsere Gegner so viel Mühe gemacht haben, uns niederzukämpfen und aus dem Bundestag zu drängen, ehrt uns. Dass sie vorläufig Erfolg hatten, ist ein Rückschlag. Er wird das BSW als erfolgreiches Parteiprojekt aber nicht beenden." Der Partei seien im ersten Jahr beispiellose Erfolge gelungen.

Als Gründe für das knappe Scheitern bei der Bundestagswahl nannte sie unter anderem Mangel an Geld und Personal für den kurzen Wahlkampf. Auch die Regierungsbeteiligung in Thüringen und Brandenburg sei für das BSW ein Dilemma gewesen, weil hohe Erwartungen nicht unmittelbar zu erfüllen gewesen seien. Das zentrale Wahlkampfthema Migration sei kein Alleinstellungsmerkmal für das BSW gewesen, mit sozialen Themen sei man in den Medien nicht mehr vorgekommen.

Redaktion beck-aktuell, bw, 24. Februar 2025 (dpa).

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