Brosius-Gersdorf wehrt sich: Argumente waren "diffamierend und realitätsfern"
© dpa | Britta Pedersen

Vergangene Woche scheiterte die Wahl der von der SPD vorgeschlagenen Frauke Brosius-Gersdorf zur BVerfG-Richterin wegen Bedenken der CDU/CSU. Nun äußert sich die Juristin in einem offenen Brief zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen.

"Die Bezeichnung meiner Person als 'ultralinks' oder 'linksradikal' ist diffamierend und realitätsfern", heißt es in einer Stellungnahme der Juristin, die sie über eine Anwaltskanzlei veröffentlichte. Zuerst hatten ZDF und Deutschlandfunk darüber berichtet.

Darin wirft sie Teilen der Medien vor, ihre Berichterstattung sei "unzutreffend und unvollständig, unsachlich und intransparent" gewesen. "Sie war nicht sachorientiert, sondern von dem Ziel geleitet, die Wahl zu verhindern", so die Professorin. Insbesondere beklagt sie in ihrem Schreiben, dass sich die Berichterstattung auch auf eine Justizministerin berufe, die aber anonym bleibe.

In Zeiten, in denen Politikerinnen und Politiker für sich "zu Recht stärkeren Schutz vor verbalen Angriffen" forderten und ein "digitales Vermummungsverbot" diskutiert werde, seien solche anonymen Äußerungen aus den Reihen politisch verantwortlicher Funktionsträger des Staates befremdlich, kritisiert Brosius-Gersdorf weiter. "Selbst anonym an medialer Kritik bis hin zu Schmähungen anderer mitzuwirken und gleichzeitig für sich selbst Schmähungsschutz zu fordern, steht im Widerspruch."

Wissenschaftliche Standpunkte falsch wiedergegeben?

In ihrem offenen Brief äußerte sich die Juristin auch inhaltlich, da sie einige ihrer wissenschaftlichen Standpunkte nicht richtig dargestellt sieht. Unzutreffend und verunglimpfend sei etwa die Behauptung, sie habe sich für eine Legalisierung und eine Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt ausgesprochen. Sie habe in der Thematik auf ein verfassungsrechtliches Dilemma hingewiesen, das nur verkürzt wiedergegeben worden sei. Das sei geschehen, "um mir unzutreffend zu unterstellen, ich würde nicht für das Grundrecht auf Leben ab dem Zeitpunkt der Nidation eintreten".

Auch ihre Positionen zu einem Kopftuchverbot und zu Paritätsmodellen für die Wahl des Bundestags seien unzutreffend wiedergegeben worden, beschwert sich Brosius-Gersdorf. Sie habe dargestellt, dass ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen an staatlichen Schulen nicht zulässig sein soll, für Referendarinnen in Gerichtssälen jedoch durchaus bestehen kann und dass darin ein Widerspruch zu erkennen sei. Sie habe dabei jedoch nie gesagt, heißt es in der Stellungnahme weiter, dass ein Kopftuchverbot "stets verfassungswidrig" sei. Denn auch wenn sich ein Kopftuchverbot für Amtswalter nicht auf das Neutralitätsgebot für den Staat stützen lasse, könne es im Einzelfall durch das Mäßigungsgebot für Staatsbedienstete legitimiert sein.

Brosius-Gersdorf schreibt auch, eine Auseinandersetzung mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit zeige, dass der Schwerpunkt ihrer Arbeit vor allem Fragen des Verfassungs-, Sozial- und Bildungsrecht betreffe, darunter auch Fragen zur Finanzierung von Schulen und der Digitalisierung der Verwaltung. Ordne man ihre wissenschaftlichen Positionen "in ihrer Breite politisch zu, zeigt sich ein Bild der demokratischen Mitte", zeigt ich die Juristin überzeugt. Einseitige Zuschreibungen wie "ultralinks" und "linksradikal" entbehrten einer Tatsachenbasis. "Sie beruhen auf einer punktuellen und unvollständigen Auswahl einzelner Themen und Thesen, zu denen einzelne Sätze aus dem Zusammenhang gerissen werden, um ein Zerrbild zu zeichnen."

Am Freitag war die Wahl zweier neuer Richterinnen und eines Richters für Karlsruhe kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestags abgesetzt worden. Der Druck gegen die von der SPD vorgeschlagenen Juristin Brosius-Gersdorf war in der Union zu groß geworden. Die Fraktionsführung konnte die mit dem Koalitionspartner verabredete Unterstützung nicht mehr garantieren. Ähnlich wie Brosius-Gersdorf hatten sich auch schon andere Rechtswissenschaftler geäußert, die eine "durch Unkenntnis geprägte" Diskussion beklagt hatten.

Redaktion beck-aktuell, js, 15. Juli 2025 (ergänzt durch Material der dpa).

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