Digitalreformen in der Justiz: BRAK schreibt Brandbriefe an die Länder

Die BRAK reagiert auf die mögliche Blockade der Dokumentation der strafrechtlichen Hauptverhandlung und der Neuerungen von § 128a ZPO im Bundesrat. Die drohende Überweisung in den Vermittlungsausschuss kritisiert ihr Präsident als "klare Behinderung dringend benötigter Reformen". Und fordert die Ministerpräsidenten auf, den Gesetzen zuzustimmen.* 

Wie beck-aktuell am Montag exklusiv berichtete, hatten sich die Justizminister und -ministerinnen der Länder im Rechtsausschuss des Bundesrats in der vergangenen Woche gegen eine digitale Aufzeichnung von Strafverhandlungen ausgesprochen. Offenbar auf Druck aus der Justiz sollen, wenn es nach ihnen geht, sowohl das Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz als auch das Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten, das mehr Videoverhandlungen bringen soll, in den Vermittlungsausschuss. Die Bundesregierung hält das Gesetz für nicht zustimmungspflichtig. 

Wie die BRAK am Mittwoch mitteilte, hat ihr Präsident Ulrich Wessels zu beiden sowohl zur Hauptverhandlungsdokumentation als auch zum Einsatz von Videokonferenztechnik Brandbriefe an die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder versandt, in denen er sie bittet, den vom Bundestag bereits beschlossenen Gesetzen zuzustimmen und keinen Einspruch zu erheben. 

"Unser Rechtssystem auf den aktuellen gesellschaftlichen Status Quo heben"

"Wir brauchen diese Neufassung von § 128a ZPO",  so Wessels. "Wenn über die physische Präsenz vor Ort flexibler entschieden werden kann, würden Verfahren schneller, kostengünstiger und ressourcenschonender", zeigt sich der BRAK-Präsident überzeugt. In seinem Schreiben zu § 128 a ZPO wird er deutlich: "Bei den geplanten Änderungen geht es nicht etwa um die Kodifizierung von Zukunftsvisionen, sondern lediglich darum, unser Rechtssystem auf den aktuellen gesellschaftlichen Status Quo zu heben. Wollten wir unseren Rechtsstaat auf den aktuellen technischen Stand bringen, wären viel weitreichendere Änderungen notwendig." 

Hinsichtlich der Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung, die nun offenbar ebenfalls wieder zur Diskussion steht, erklärt Wessels es für "unerklärlich, weshalb der im Rahmen der parlamentarischen Beratungen im Bundestag bereits geänderte und deutlich herabgestufte Entwurf nun wieder zum Stein des Anstoßes werden soll." Es gehe längst nicht mehr um die – von der BRAK und der Anwaltschaft gewünschte – audiovisuelle Dokumentation, sondern "nur" noch um eine Tonaufzeichnung. Zumindest die müsse jetzt aber auch kommen, so der BRAK-Präsident.

Der Bundesrat tagt am 15.12. Dort gelten allerdings andere Abstimmungsregeln als im Rechtsausschuss: Je nach ihrer Größe haben die Länder unterschiedlich viele Stimmen, und diese können jeweils nur einheitlich abgegeben werden. Die Justizminister müssen also jeweils versuchen, ihre jeweiligen Koalitionspartner in ihrer Landesregierung auf ihre Seite zu bringen. Findet sich eine Mehrheit für die Einschaltung des Vermittlungsausschusses, kann dieser Änderungen verlangen (Art. 77 GG). In dem Fall könnte das Parlament zwar das DokHVG bestätigen, die Länderkammer jedoch dagegen wiederum Einspruch einlegen. Sofern das Gesetz – wovon die Bundesregierung ausgeht – nicht zustimmungsbedürftig ist, kann der Bundestag diesen mit der einfachen Mehrheit seiner Mitglieder zurückweisen. Bei der Verabschiedung hatte außer der Ampelkoalition die Linksfraktion dafür gestimmt, die CDU/CSU dagegen; die AfD hatte sich enthalten.

*Anm. der Red.: Der Artikel wurde am Tag der Veröffentlichung an mehreren Stellen nachträglich überarbeitet. [06.12.2023, 16:36 Uhr, pl]

Redaktion beck-aktuell, pl/gk, 6. Dezember 2023.