Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und der Energiekrise entschied der Bund Ende 2022, neben den Verbraucherinnen und Verbrauchern auch Unternehmen bei Strom- und Gaskosten zu entlasten. Unternehmen, die diese Hilfen in Anspruch nahmen, sollten im Gegenzug Leitungspersonen in Geschäftsführung sowie Vorstand und Aufsichtsrat keine Boni für 2023 gewähren.
Voraussetzung des Bonusverbots war das Überschreiten von zwei Schwellenwerten: Wer mehr als 25 Millionen Euro vom Staat erhalten hatte, durfte den Leitungs- und Aufsichtspersonen vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2023 keine Boni gewähren, die nach dem 1. Dezember 2022 beschlossen und vereinbart worden waren. Für Unternehmen, die mehr als 50 Millionen Euro bezogen, galten strengere Maßstäbe. Sie durften 2023 überhaupt keine Boni vereinbaren und auszahlen – auf den Zeitpunkt der Vereinbarung kam es dabei nicht mehr an.
Eine Verlängerung der Strom- und Gaspreisbremse bis ins Jahr 2024 hatte der Bundestag eigentlich schon beschlossen, aufgrund der Haushaltsentscheidung des BVerfG und den sich daraus ergebenden Sparzwängen wurde sie jedoch gestoppt. Dies bedeutet zunächst auch: Für 2024 dürfen Unternehmen wieder Boni vereinbaren und auszahlen.
Energieintensive Unternehmen und Konzernverbünde betroffen
Vom Bonusverbot nach § 37a StromPBG und § 29a EWPBG waren vor allem energieintensive Unternehmen betroffen. Darüber hinaus konnten die Schwellenwerte in Konzernverbünden leicht überschritten werden. Die gesetzlichen Regelungen stellten zwar bei der Berechnung im ersten Schritt auf den jeweiligen Rechtsträger ab. Bei verbundenen Unternehmen war jedoch zu prüfen, ob alle Unternehmen einschließlich der Muttergesellschaft den Schwellenwert von 25 bzw. 50 Millionen Euro überschritten hatten.
In die Berechnung der Entlastungssumme wurden zudem Entlastungsbeträge nach anderen gesetzlichen Regelungen einbezogen. Im Gesundheitswesen betrifft dies beispielsweise die Ausgleichszahlungen nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz. Krankenhausträger mussten daher darauf achten, dass diese Entlastungsbeträge mitzählen. Außerdem waren die Entlastungsbeträge, die einzelne Klinik- und Servicegesellschaften erhalten hatten, bei der Konzernmutter zu kumulieren. Die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft waren vom Bonusverbot jedoch nur betroffen, wenn das einzelne Tochterunternehmen selbst die 25- bzw. 50-Millionen-Euro-Grenze gerissen hatte.
Der Gesetzgeber hatte das Bonusverbot zudem sehr weitgehend ausgestaltet. Zu den Boni zählten variable Vergütungsbestandteile jeder Art. Untersagt waren damit auch freiwillige Sonderzahlungen und nicht gebotene Abfindungen. Ebenso wurde die Grundvergütung für Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer für 2023 auf dem Stand vor dem 1. Dezember 2022 eingefroren, lediglich ein Inflationsausgleich war zulässig.
Dürfen Leitungspersonen unrechtmäßige Boni behalten?
Rechtlich ungeklärt ist die Frage, ob Beschäftigte in Geschäftsleitung und Aufsichtsgremien auf Bonusauszahlungen für 2023 bestehen bzw. bereits erhaltene Boni behalten dürfen. Die vom Gesetzgeber als "Bonusverbot" bezeichneten Regelungen ordnen ausdrücklich keine zivilrechtliche Unwirksamkeit von Bonusvereinbarungen an. Es spricht daher einiges dafür, dass entsprechende Zahlungsklagen gegen die Unternehmen Erfolg haben dürften.
Die praktische Relevanz solcher Klagen dürfte aber gering sein, denn Organ- bzw. Aufsichtsratsmitgliederinnen und -mitglieder sind gehalten, die das Unternehmen treffenden Pflichten zu beachten bzw. deren Einhaltung zu kontrollieren. Würden sie nun selbst unrechtmäßige Boni einklagen, stünde dies in erkennbarem Widerspruch zu ihren Pflichten.
Rechtslage zu Rückforderungen völlig unklar
Etwaige Verstöße gegen das Bonusverbot bleiben jedoch nicht ohne Folgen. Aktuell kommt das Thema vor allem durch die Prüfungen der Wirtschaftsprüfer zum Vorschein. Im Rahmen der Testate wird geschaut, welche Entlastungssummen Unternehmen erhalten haben und wie mit den Anforderungen des Gesetzgebers zum Bonus- und Dividendenverbot umgegangen wurde.
Zudem sind aus vergaberechtlicher Sicht Prüfungen zu erwarten. Ähnlich wie bei den Coronahilfen werden im Nachgang zur kurzfristigen Bereitstellung der staatlichen Unterstützung die Prüfbehörden nach und nach aktiv und nehmen den Umgang der Unternehmen mit den Regularien genauer unter die Lupe.
In welchem Umfang Unternehmen Entlastungsbeträge möglicherweise zurückzahlen müssen, zählt zu den ungelösten Fragen rund um das Thema. Nach allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätzen liegt es nahe, Unternehmen bei einem Verstoß die volle Rückzahlung der vom Staat erhaltenen Entlastungsbeträge aufzuerlegen. Der Wortlaut des Gesetzes spricht jedoch für ein anderes Verständnis: Demnach hat die Prüfbehörde nur die 25 bzw. 50 Millionen Euro übersteigenden Entlastungsbeträge vom Unternehmen zurückzufordern, soweit die Regelungen zum Bonusverbot nicht eingehalten wurden.
Dies heißt zunächst, dass nur der Teil der Entlastungsbeträge zurückgefordert werden kann, der über die gewährten 25 oder 50 Millionen hinausgeht. Unter den Schwellenwerten liegende Entlastungsbeträge bleiben demnach von einer Rückforderung ausgenommen. Wurde ein Unternehmen z.B. um 49 Millionen Euro entlastet, können maximal 24 Millionen Euro zurückgefordert werden.
Rückzahlung beschränkt auf Höhe des Bonus?
Die Rückforderungsnormen legen sogar eine Beschränkung auf die unrechtmäßig ausgezahlten Boni nahe. Dafür spricht der Wortlaut der Rückforderungstatbestände in § 37a Abs. 9 StromPBG und § 29a Abs. 9 EWPBG. Rückforderungen durch die Prüfbehörden sollen demnach nur in dem Umfang erfolgen, soweit (!) die Regelungen zum Bonusverbot nicht eingehalten worden sind.
Nimmt man diese Formulierung ernst, müsste sich eine mögliche Rückforderung auf das Maß beschränken, in dem gegen das Bonusverbot verstoßen wurde. Hätte das Unternehmen im oben genannten Beispiel der Geschäftsführung 2023 einen Bonus in Höhe von 100.000 Euro gezahlt, müsste lediglich dieser Betrag – und keine 24 Millionen Euro – zurückgezahlt werden. Ob Prüfbehörden und Verwaltungsgerichte dies genauso sehen, ist aber unsicher.
Rückforderung in voller Höhe liefe Gesetzeszweck zuwider
Neben dem Wortlaut spricht auch der gesetzgeberische Zweck der Norm für eine auf die Bonushöhe beschränkte Rückforderung. Unternehmen, die staatliche Hilfen in Anspruch nahmen, sollten Ausgaben, die Einzelnen (also den Geschäftsleitungen) zugutekommen, für die Zeit der Förderung einsparen. So heißt es ausdrücklich in der Gesetzesbegründung. Ein darüberhinausgehender Strafzweck war mit den Bonusverboten nicht verbunden.
Da der genannte Gesetzeszweck mit der Abschöpfung des Bonus bereits erreicht würde, spricht vieles dafür, die Rückforderung auf den Bonus zu beschränken. Andernfalls könnten die Entlastungsbeträge am Ende das Gegenteil von dem erreichen, was ursprünglich gewollt war: Statt Unternehmen in einer akuten Krise zu unterstützen, würden sie durch unverhältnismäßig hohe Rückforderungen schlimmstenfalls in eine existenzbedrohende Situation gebracht.
Obwohl die Energiepreisbremsen und die Bonusverbote zum 31. Dezember 2023 ausgelaufen sind, bleibt das Thema hochaktuell. Denn zahlreiche Punkte rund um die Ausgestaltung der Verbote sind rechtlich ungelöst, geschweige denn gerichtlich entschieden. Wie schon in der Coronakrise wurden die Gesetze mit heißer Nadel gestrickt und lassen Raum für unterschiedliche Interpretationen. Unternehmen sind demnach gut beraten, sich möglichst umfassend vorzubereiten – auch auf hohe Rückzahlungen.
Michael Riedel ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei ADVANT BEITEN, wo er der arbeitsrechtlichen Praxisgruppe angehört. Er berät Unternehmen umfassend zu arbeitsrechtlichen Fragen, insbesondere zu Themen der Vergütungsgestaltung.