Rechtsschutzversicherer muss Kosten für "Dieselklage" übernehmen

Im Streit um die Kostenübernahme für eine Dieselklage hat ein Rechtsschutzversicherer eine Niederlage erlitten. Dem Versicherungsnehmer stehe Deckungsschutz auch dann zu, wenn die Rechtslage erst nach dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife höchstrichterlich zu seinen Gunsten geklärt worden sei, entschied der BGH.

Ein Versicherungsnehmer wollte gegenüber der Herstellerin seines Wohnmobils Schadensersatzansprüche durchsetzen. Das Fahrzeug sei mit unzulässigen Abschalteinrichtungen, insbesondere einem Thermofenster, ausgestattet worden. Doch die Rechtsschutzversicherung lehnte die Kostenzusage Mitte Februar 2021 ab. Sie argumentierte, dass weder ein Rechtsverstoß vorliege noch Erfolgsaussichten in der Sache bestünden. Das LG bestätigte diese Entscheidung.

Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG – im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 15. Mai 2023 – das erstinstanzliche Urteil ab und stellte unter anderem fest, dass die Rechtsschutzversicherung aus dem Versicherungsvertrag verpflichtet sei, die Kosten der erstinstanzlichen Geltendmachung von deliktischen Schadensersatzansprüchen gegen die Kfz-Herstellerin zu tragen.

Die von der Versicherung eingelegte Revision blieb erfolglos. Werde die Rechtslage nach dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife durch die höchstrichterliche Rechtsprechung (hier: den EuGH) zugunsten des Versicherungsnehmers geklärt, richte sich die Beurteilung des Deckungsschutzanspruchs nach den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage im Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, so der BGH (Urteil vom 05.06.2024 – IV ZR 140/2).

Für die Frage, ob die beabsichtigte Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, sei zwar grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Deckungsgesuchs abzustellen, sprich auf den Zeitpunkt, in dem der Rechtsschutzversicherer seine Entscheidung trifft (hier Dezember 2021). Treten aber – wie hier – zwischen der ablehnenden Entscheidung des Deckungsschutzantrags und der gerichtlichen Entscheidung über eine Deckungsklage Änderungen in der Beurteilung der Erfolgsaussichten ein, die sich zugunsten des Rechtsschutzsuchenden auswirken und die nach dem einschlägigen Fachrecht zu berücksichtigen sind, sind diese laut BGH bei der Prüfung der Erfolgsaussichten zu beachten.

Weitere Entwicklung der Rechtsprechung nicht abzusehen

Das Berufungsgericht habe im Streitfall daher zu Recht bei der Prüfung der Erfolgsaussichten die nach dem Zeitpunkt der Deckungsablehnung ergangene, dem klagenden Versicherungsnehmer günstige Entscheidung des EuGH berücksichtigt. Es habe auch rechtsfehlerfrei entschieden, dass die vom Kläger beabsichtigte gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen Aussicht auf Erfolg hat. Zum Zeitpunkt des Ablaufs der im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 S. 2 ZPO bis zum 15. Mai 2023 festgesetzten Schriftsatzfrist, die dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, sei das Berufungsgericht unter Berücksichtigung der EuGH-Entscheidung ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Annahme eines fälligen Schadensersatzanspruchs jedenfalls nicht unvertretbar erschien.

Zu diesem Zeitpunkt bedurften die Einzelheiten der Voraussetzungen und der Modalitäten eines solchen Schadensersatzanspruchs laut BGH noch einer weiteren Klärung, die erst durch die Urteile des BGH vom 26. Juni 2023 erfolgte. Soweit sich aus den neueren Entscheidungen des BGH ergeben könnte, dass dem Versicherungsnehmer der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht oder nur im geringeren Umfang zusteht, führe dies hier zu keinem anderen Ergebnis. Schließlich habe das Berufungsgericht zum Zeitpunkt des Erlasses seines Urteils die weitere Entwicklung der Rechtsprechung nicht absehen können, gibt der BGH zu bedenken.

BGH, Urteil vom 05.06.2024 - IV ZR 140/23

Redaktion beck-aktuell, ew, 5. Juni 2024.