Moschee zu langsam gebaut: Erbbaurecht fällt zurück an Stadt
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Im Rechtsstreit um den verzögerten Bau einer Moschee nahe Stuttgart hat der BGH der klagenden Kommune Recht gegeben. Ein muslimischer Verein habe gegen seine vertraglich geregelte Baupflicht verstoßen, indem er nicht fristgerecht den ersten Bauabschnitt fertiggestellt habe, so der V. Zivilsenat.

Die Stadt Leinfelden-Echterdingen und der muslimische Verein für Kultur, Bildung und Integration haben einen Erbbaurechtsvertrag geschlossen. Dieser gestattete dem Verein, auf einem Grundstück der Stadt eine Moschee zu erreichten und zu betreiben. Er erlaubte der Stadt auch, eine Rückübertragung des Erbbaurechts zu verlangen, sollten bestimmte vertragliche Pflichten nicht erfüllt werden. Dazu gehörte, dass der Verein in einem ersten Bauabschnitt die Moschee und ein Kulturhaus innerhalb von vier Jahren fertigstellen musste - was nicht gelang. Dennoch hatte er den vereinbarten Preis für das Grundstück in Höhe von 883.400 Euro bereits an die Stadt bezahlt, war aber noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden. Die Stadt übte daraufhin ihr Wiederkaufsrecht aus und beanspruchte auch den Heimfall des Erbbaurechts.

Sowohl das LG wie auch das OLG Stuttgart gaben der Stadt recht. Das OLG Stuttgart sprach der Stadt Ansprüche aus dem Erbbaurechtsvertrag zu. Demnach muss der Verein die Rückübertragung des Erbbaurechts erklären, das Moscheebauwerk bis dahin entsprechend versichern und Erbbauzinsen in Höhe von über 110.000 Euro nachzahlen. Gleichzeitig sollte nach dem OLG-Urteil der Kaufvertrag rückabgewickelt werden und die Stadt Eigentümerin des Grundstücks bleiben. Der Verein legte Revision ein - ohne Erfolg.

Die Stadt habe gegen den Verein einen auf Übertragung des Erbbaurechts gerichteten Heimfallanspruch, so der BGH (Urteil vom 19.01.2024 – V ZR 191/22). Der Verein habe gegen seine vertraglich geregelte Bauverpflichtung verstoßen. Da er dies selbst verschuldet habe, sei keine Nachfrist zu gewähren gewesen. Auch sei die Vereinbarung über die Bebauungspflicht nicht unangemessen, da die Gemeinde mit der Ausgabe eines Erbbaurechts in aller Regel - so auch hier - gerade das Ziel verfolge, ein Grundstück für die Öffentlichkeit nutzbar zu machen. Die Richterinnen und Richter hatten auch keine Einwände gegen die Frist von vier Jahren.

Nichterfüllung der Baupflicht rechtfertigt Heimfall

Der Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung stehe auch nicht entgegen, dass die Vergütung für den Fall des Heimfalls ausgeschlossen wurde. Dies sei individualvertraglich möglich und im Ergebnis auch sachgerecht, da der Heimfall regelmäßig nur dann eintrete, wenn der Erbbauberechtigte gegen seine vertraglichen Pflichten verstößt. Er habe es also selbst in der Hand, den entschädigungslosen Heimfall zu vermeiden. Für die Gemeinde dagegen hätte eine Vergütungspflicht erhebliche Nachteile. So könnte sie gezwungen sein, sehr kurzfristig erhebliche Haushaltsmittel für das Bauwerk bereitzustellen, oder auf die Geltendmachung des Anspruchs zu verzichten, weil entsprechende Mittel im Haushalt nicht zur Verfügung stehen.

Der BGH nahm die nach den Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts vorzunehmende Ausübungskontrolle vor und bestätigte, dass es verhältnismäßig gewesen sei, den Heimfallanspruch hier geltend zu machen. Zwar dürfe der Heimfall im Ergebnis nicht dazu führen, dass der private Erbbauberechtigte für seinen Verstoß gegen vertragliche Pflichten übermäßig sanktioniert wird. Andernfalls würde sich der vergütungslose Heimfall als unangemessene Vertragsstrafe darstellen. Die Gemeinde müsse also bei der Ausübung ihres Ermessens abwägen zwischen Art und Bedeutung des Heimfallgrundes, namentlich der Schwere des Vertragsverstoßes einerseits, und den Folgen, die der vergütungslose Heimfall für den Erbbauberechtigten hat andererseits.

Beides müsse in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Dies sei hier der Fall: Zum einen habe der Verein die Bauverpflichtung schuldhaft missachtet. Zum anderen stehe ihm bei Rückübertragung des Erbbaurechts eine Vergütung für das Bauwerk jedenfalls insoweit zu, als dieses einen Verkaufswert hat.

BGH, Urteil vom 19.01.2024 - V ZR 191/22

Redaktion beck-aktuell, mm, 19. Januar 2024.