BGH entscheidet im August zu KZ-Sekretärin

Der BGH hat am Mittwoch das gegen eine ehemalige Schreibkraft im KZ Stutthof ergangene Urteil des LG Itzhoe geprüft. Ob die Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen Bestand haben wird oder nicht, steht noch nicht fest. Der BGH will seine Entscheidung am 20. August verkünden.

Zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung hatte die mittlerweile 99-Jährige vor dem LG erhalten. Sie war als junge Frau zwischen Juni 1943 und April 1945 als Sekretärin im Geschäftszimmer des Kommandanten des KZ Stutthof bei Danzig beschäftigt. Ihre Verteidiger, Wolf Molkentin und Niklas Weber, hatten gegen die Verurteilung Revision eingelegt: Sie machten geltend, ihre Mandantin habe im KZ "neutrale Handlungen" verrichtet. Ihre Arbeit in Stutthof habe sich nicht wesentlich unterschieden von ihren vorherigen Aufgaben in einer Bank und ihrem späteren Job in einer Klinik.

Auch ob Irmgard F. ein Vorsatz nachgewiesen werden kann, zogen die Anwälte in Zweifel. "Hat sich ihr tatsächlich aufgedrängt, was in dem Lager geschehen ist?", fragte Molkentin. Das LG Itzehoe war davon ausgegangen, dass Irmgard F. durch ihre Arbeit "psychische Beihilfe" geleistet hat. Der Großteil des Schriftverkehrs im KZ sei über ihren Tisch gegangen, sie habe dem Lagerkommandanten treu und ergeben gedient, ihn in seinem Tun bestärkt. Rechtsanwalt Molkentin verwies dagegen auf die strengen Hierarchien in der Lagerverwaltung. "Es bedurfte keiner psychischen Bestärkung von unten", sagte er. Er beantragte einen Freispruch für Irmgard F. oder zumindest eine Zurückverweisung des Falls ans LG, um ihn erneut zu verhandeln. Die 99-Jährige war nicht nach Leipzig gekommen – sie musste auch nicht anwesend sein.

Generalbundesanwalt: Revision verwerfen

Der Generalbundesanwalt hatte die mündliche Verhandlung in Leipzig beantragt. Der Fall biete dem BGH möglicherweise zum letzten Mal die Gelegenheit, wichtige Fragen zu klären, sagte der Sitzungsvertreter. Er erklärte, der Schuldspruch des LG Itzehoe sei gerechtfertigt. Irmgard F. habe durch ihre Dienstbereitschaft für die Mordtaten im KZ Stutthof zur Verfügung gestanden. Er plädierte darauf, die Revision der Angeklagten zu verwerfen. Das forderten auch die Anwälte der noch verbliebenen 23 Nebenkläger in dem Verfahren.

Die Anwältin eines inzwischen 96 Jahre alten Nebenklägers verlas am Ende der Verhandlung eine Erklärung des in Israel lebenden Mannes. Das KZ Stutthof sei in der Zeit, in der er dort inhaftiert war, ein monströses Vernichtungslager gewesen, hieß es darin. "Diejenigen, die behaupten, sie hätten nur Anweisungen befolgt, sind meiner Meinung
nach Komplizen der Vernichtungsmaschinerie." Er wünsche sich, dass die Angeklagte einen Fehler eingestehe und Bedauern äußere.

Redaktion beck-aktuell, dd, 31. Juli 2024 (dpa).