Für manche Medikamente etwa gegen Schmerzen, Allergien oder Pilzinfektionen braucht man zwar kein Rezept, man kann sie aber nur in der Apotheke kaufen. Wenn Apotheken die Produkte über Internetplattformen wie den Amazon Marketplace anbieten, müssen deren Kundinnen und Kunden allerhand Daten angeben. Das beginnt beim Namen und der Lieferadresse und kann auch Angaben zur Individualisierung des zu bestellenden Arzneimittels umfassen.
Der Erhebung und Verarbeitung dieser Daten müssen die Kunden und Kundinnen bei einer Bestellung nochmals explizit zustimmen, entschied nun der BGH (Urteile vom 27.03.2025 - I ZR 222/19 und ZR 223/19) auf die Klage von Apothekern gegen zwei Mitbewerber, die ihre Produkte auch online über den Amazon-Marketplace anboten. Ohne eine solche ausdrückliche Einwilligung verstießen die Anbieter - wie im Streitfall - gegen Art. 9 Abs. 1 DS-GVO, das Verbot der Verarbeitung besonderer personenbezogener Daten ohne Einwilligung.
Hintergrund ist, dass es sich bei personenbezogenen Angaben wie dem Namen, der Lieferadresse oder auch bei Informationen zur Individualisierung der Arzneimittel um Gesundheitsdaten im Sinne der DS-GVO handelt. Diese seien besonders sensibel, sagte der Vorsitzende Richter des I. Zivilsenats, Thomas Koch. Das gelte auch bei nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten.
Die Karlsruher Richterinnen und Richter orientierten sich an Vorgaben des EuGH, dem sie eines der beiden Verfahren vorgelegt hatten.
Anwalt: "So doof ist der Verbraucher nicht"
Der Anwalt eines klagenden Apothekers hatte in der Verhandlung am BGH im Januar betont, dass die Daten zwangsläufig auch Amazon offengelegt würden. Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher der Datenverarbeitung noch einmal zustimmen müssten, könnten sie sich nochmals überlegen, ob sie wirklich hier einkaufen wollen.
Der Anwalt der Apotheker, die auch über Amazon verkaufen, hatte hingegen argumentiert, wer auf der Online-Plattform nach Arzneimitteln suche, wisse genau, auf welcher Seite er unterwegs sei und brauche keinen speziellen Hinweis darauf. "So doof ist der Verbraucher nicht."
Doch den BGH konnten die beiden Apotheker damit nicht überzeugen, die Revisionen gegen ihre Verurteilung, die monierten Datenschutzverstöße zu unterlassen, hatten keinen Erfolg. Der Vorsitzende erklärte, die geforderte Einwilligung diene dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Wettbewerber durften klagen
Der Senat entschied auch, dass Art. 9 Abs. 1 DS-GVO eine Marktverhaltensregelung im Sinne von §3a UWG ist, so dass die beiden Apotheker als Mitbewerber Verstöße gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG im Wege einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten verfolgen können.
Die Bestimmungen über die erforderliche Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten dienten, so der BGH, dem Schutz der Persönlichkeitsrechtsinteressen der Verbraucherinnen und Verbraucher gerade auch im Zusammenhang mit ihrer Marktteilnahme. "Die Verbraucher sollen frei darüber entscheiden können, ob und inwieweit sie ihre Daten preisgeben, um am Markt teilnehmen und Verträge abschließen zu können", erklärte Thomas Koch bei der Urteilsverkündung.
Marktanteil des Versandhandels über 20%
Die Vizepräsidentin der Bundesapothekerkammer, Franziska Scharpf, kommentierte am Donnerstag, der BGH habe mit der Entscheidung den Stellenwert des Datenschutzes in der Arzneimittelversorgung über Online-Plattformen unterstrichen. "Was in der Apotheke vor Ort selbstverständlich ist, wird im Online-Geschäft offenbar zuweilen infrage gestellt", erklärte sie. "Eine gute Arzneimittelversorgung basiert auf Vertrauen - dieses entsteht durch persönliche Beratung ebenso wie durch konsequenten Datenschutz."
Der Versandhandel spielt für die Branche eine relevante Rolle beim Geschäft mit apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Nach Zahlen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände machte er gemessen an Absatz und Umsatz seit 2020 - dem ersten Corona-Jahr - rund ein Fünftel aus. In den Jahren davor war er schrittweise gestiegen. Vergleichsweise hoch ist der Anteil des Versandhandels in diesem Segment bei homöopathischen Präparaten. 2023 betrug er den Zahlen zufolge ein Drittel.