Ein niedergelassener Apotheker störte sich an einem Wettbewerber, der anderenorts ebenfalls ein Ladengeschäft (die "Lindenapotheke") betreibt, aber außerdem über das Internet Medikamente vertreibt – sowohl über eine eigene Webseite als auch über den Amazon-Marketplace. Dabei verarbeite er unzulässig Gesundheitsdaten, und das sei unlauterer Wettbewerb, lautete der Vorwurf. Das LG Dessau-Roßlau gab dem Kläger recht, ebenso das OLG Naumburg. Der BGH bat daraufhin jedoch den EuGH um Auskunft, ob die DS-GVO überhaupt eine solche Klage zulässt. Und ob es sich bei zwar apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtigen Präparaten um Gesundheitsdaten handelt. Der EuGH hat nun auf beide Fragen aus Karlsruhe mit einem klaren "Ja" geantwortet (Urteil vom 04.10.2024 – C-21/23 – "Lindenapotheke").
Der zweite Aspekt dürfte von größerer Bedeutung für die Branche – und damit auch für Patienten – sein: Daten, die Kunden bei der Online-Bestellung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln eingeben, sind laut dem Urteil Gesundheitsdaten im Sinn der DS-GVO. Das gelte auch dann, wenn die betreffenden Pharmazeutika zwar nur in Apotheken vertrieben werden dürfen, aber ohne Rezept erhältlich sind. Daher, so die Europarichter und -richterinnen, müssen Verkäufer die Besteller "klar, vollständig und in leicht verständlicher Weise" über die genauen Umstände und Zwecke der Verarbeitung ihrer Daten informieren. Zudem müssen sie deren ausdrückliche Einwilligung dazu einholen. Als Beispiele nennen sie Namen, Lieferadresse und die für die konkrete Auswahl der Präparate notwendigen Informationen.
"Rückschluss auf Gesundheitszustand möglich"
Die Begründung: Aus diesen Angaben könne "mittels gedanklicher Kombination oder Ableitung" auf den Gesundheitszustand einer identifizierten (oder identifizierbaren) natürlichen Person geschlossen werden. Denn dabei wird dem Luxemburger Gerichtshof zufolge eine Verbindung zwischen ihr und einem Arzneimittel, seinen therapeutischen Indikationen und Anwendungen hergestellt. Dabei spiele es keine Rolle, ob diese Informationen den Kunden oder jemanden anders betreffen, für den die Bestellung aufgegeben wird. Somit sei unerheblich, dass ohne ärztliche Verschreibung erhältliche Heilmittel nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit und nicht mit absoluter Sicherheit für denjenigen bestimmt sind, der sie geordert hat. Ebenso wenig dürfe es auf die Art der Medikamente oder darauf ankommen, ob für den Kauf eine ärztliche Verschreibung erforderlich ist. Denn solche Differenzierungen liefen dem Ziel eines hohen Schutzniveaus zuwider, das die DS-GVO verfolge.
Klarheit schaffte der EuGH auch bei der ersten Frage des BGH. Der I. Zivilsenat in Karlsruhe war sich angesichts kritischer Stimmen in der Fachliteratur nicht sicher, ob Klagen gegen Konkurrenten wegen Verletzungen des Datenschutzes auch auf das Wettbewerbsrecht und damit auf das Verbot unlauterer Geschäftspraktiken gestützt werden können (UWG § 8 Abs. 3 Nr. 1). Nach der DS-GVO seien für deren Überwachung und Durchsetzung nämlich grundsätzlich die nationalen Aufsichtsbehörden und die Betroffenen – in diesem Fall also die Kunden – sowie die Verbraucherverbände verantwortlich. "Aber klar doch!", erschall es sinngemäß vom Kirchberg im Osten der Stadt Luxemburg. "Im Gegenteil – dies trägt unbestreitbar dazu bei, die Rechte der betroffenen Personen zu stärken und ihnen ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten", schreibt der EuGH wörtlich in seiner Zusammenfassung. Im Übrigen könne sich dies als besonders wirksam erweisen, da so zahlreiche Verstöße gegen die Grundverordnung verhindert werden könnten.