Kunst liegt im Auge des Betrachters, heißt es. Am Donnerstag lag sie hingegen in den Augen von acht Richterinnen und Richtern des I. Zivilsenats des BGH. Diese verkündeten: Birkenstock-Sandalen sind keine Werke der angewandten Kunst. Die bekannten und gerade in den vergangenen Jahren außerordentlich beliebten Schuhe genießen damit keinen Urheberrechtsschutz (Urteil vom 20.02.2025 - I ZR 16/24 u. a.).
Im zugrunde liegenden Fall hatte der Hersteller mit Hauptsitz in Linz am Rhein in Rheinland-Pfalz gegen drei Konkurrenten geklagt, die ähnliche Modelle herstellten und verkauften. Birkenstock berief sich darauf, dass seine Sandalenmodelle urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst seien und die Angebote der anderen Anbieter dieses Recht verletzten.
Von den Konkurrenten forderte man daher unter anderem, ihre Sandalen zurückzurufen bzw. nicht weiter zu verkaufen und die existierenden Modelle zu vernichten, außerdem bestand Birkenstock auf Schadensersatz für die vermeintliche Rechtsverletzung. Das LG Köln hatte zunächst zugunsten von Birkenstock entschieden, doch das OLG wies die Klagen ab, was schließlich zur Revision vor dem BGH führte.
Birkenstock sieht Sandalen als Klassiker des Brutalismus
Das Urheberrecht verleiht dem Schöpfer eines Werkes zunächst die exklusiven Nutzungsrechte an diesem Objekt. Dritte dürfen es also nicht ohne Erlaubnis wiedergeben oder vervielfältigen. Der Schutz bleibt bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers bestehen. Karl Birkenstock - der Erfinder der Birkenstock-Sandale - lebt noch.
Birkenstock argumentierte vor dem BGH, das OLG habe einen zu engen Kunstbegriff zugrunde gelegt, der darauf hinauslaufe, dass Kunst zweckfrei sein müsse und keine ökonomischen Ziele verfolgen dürfe. Doch die reine Absicht, dass sich ein Modell gut verkaufen soll, könne nicht per se dagegen sprechen, es als Kunst zu bewerten. Dass auch herausragendes Design von Gebrauchsgegenständen urheberrechtlich geschützt sein kann, sei im Urheberrecht zudem seit Jahrzehnten anerkannt, erklärte Birkenstock-Anwalt Konstantin Wegner vor der Verhandlung im Januar. Das hätten Gerichte bereits etwa zu Leuchten im Stil der Bauhaus-Kunstschule, Möbeln des Architekten und Designers Le Corbusier und einem Porsche-Modell entschieden.
In dieser Tradition sah Birkenstock auch die eigenen Sandalen-Designs. Konkret ging es am BGH um vier Modelle: "Arizona" (die Sandale mit zwei breiten Riemen, die 2023 im Hollywood-Film "Barbie" besondere Erwähnung fand), "Madrid" (mit einem Riemen), "Gizeh" (mit Zehentrenner) sowie den Clog "Boston". Dem Unternehmen nach sind es die Klassiker, die Verbraucherinnen und Verbraucher typischerweise mit der Marke in Verbindung bringen. Einzelne Elemente wie Schnallen, Materialien oder die Riemenführung, aber auch die Kombination dieser Elemente seien es, die die Sandalenmodelle zu Werken der angewandten Kunst machten. Das Design im Stil des Brutalismus sei einmalig gewesen, als es zuerst erschien.
"Gestaltungshöhe" als entscheidendes Kriterium
Der BGH bestätigte nun indes die Entscheidung des OLG und betonte, dass für den Urheberrechtsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG eine gewisse Gestaltungshöhe erforderlich sei. Diese müsse über das rein Handwerkliche hinausgehen und eine individuelle künstlerische Leistung erkennen lassen. Die Richterinnen und Richter stellten fest, dass die Gestaltung der Birkenstock-Sandalen weitgehend durch technische Erfordernisse und funktionale Aspekte bestimmt sei, was den kreativen Freiraum einschränke. Daher sei der notwendige Grad an künstlerischer Gestaltung nicht erreicht.
Das OLG habe sich mit allen Gestaltungsmerkmalen auseinandergesetzt, die nach Auffassung des Unternehmens den künstlerischen Wert der Sandalen begründen könnten, so der BGH. Der bestehende Gestaltungsspielraum, den solche Schuhmodelle erlauben, sei allerdings nicht in einem Maße künstlerisch ausgeschöpft worden, der genüge, um ihnen Urheberrechtsschutz zuzusprechen.