An Versäumnisurteil beteiligter Richter darf über Berufung entscheiden

Ein Rich­ter, der in der ersten Instanz an einem Versäumnisurteil mitgewirkt hat und nunmehr Vorsitzender am OLG ist, darf dennoch in der Be­ru­fung selbst über den Fall entscheiden. Nachdem das BAG sich der Meinung des BGH angeschlossen hat, hat der I. Zivilsenat nunmehr wie geplant entschieden.

Ein Vorsitzender Richter am OLG hatte als Vorsitzender einer Kammer am LG am Erlass eines Versäumnisurteils gegen die Beklagte mitgewirkt, nicht aber an dessen (weitgehender) Aufrechterhaltung. Inzwischen sitzt er dem Senat vor, der über die Berufung der Beklagten dagegen zu entscheiden hat. Die Beklagte sah ihn wegen seiner Beteiligung am Versäumnisurteil nach § 41 Nr. 6 ZPO von der Mitwirkung am Berufungsverfahren ausgeschlossen, drang mit ihrem Ablehnungsgesuch wegen Vorbefassung beim OLG Frankfurt a.M. aber nicht durch.

Das OLG stellte fest, dass die Mitwirkung an einem die Instanz nicht abschließenden Versäumnisurteil nicht zu einem Ausschluss nach § 41 Nr. 6 ZPO führe. Danach ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen, wenn er in einem früheren Rechtszug beim Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. Der Ausschlussgrund greift aber laut OLG nur, wenn der Richter an der angefochtenen Entscheidung selbst beteiligt war, was hier jedoch nicht der Fall war. Auch die Besorgnis einer Befangenheit nach § 42 Abs. 2 ZPO schloss es aus.

Richter bleibt trotz Vorbefassung im Verfahren

Der I. Zivilsenat sah das genauso und wies die Rechtsbeschwerde der Beklagten fzurück (Beschluss vom 27.03.2025 – I ZB 40/24). Der Richter, so der BGH, dürfe in der Berufungsinstanz mitwirken. Der von ihm in dieser Sache zuvor angerufene 5. Senat des BAG hatte erklärt, inzwischen nicht mehr an seiner ursprünglichen Auffassung festzuhalten, wonach der Richter am Berufungsverfahren ausgeschlossen worden wäre (Beschluss vom 12.02.2025 - 5 AS 1/25). Daher konnte der BGH nun wie geplant entscheiden.

Er stellte klar: Die Mitwirkung an einem ersten Versäumnisurteil, das nicht die angefochtene Entscheidung selbst darstellt, führt nach § 41 Nr. 6 ZPO nicht zum automatischen Ausschluss des Richters. Denn die Berufungsentscheidung werde unabhängig und auf neuer Tatsachengrundlage getroffen. Der Fall sei dem eines Richters in der dritten Instanz vergleichbar, der an der erstinstanzlichen Entscheidung mitgewirkt hatte. Für diesen Fall hatte der BGH einen Ausschluss nach § 41 Nr. 6 ZPO bereits verneint.

Es könnte aber nach den üblichen Regeln ein Befangenheitsgrund nach § 42 Abs. 2 ZPO vorliegen, wenn besondere Umstände darauf hindeuteten, dass der Richter nicht bereit wäre, seine frühere Beurteilung ergebnisoffen zu überprüfen. Solche Anhaltspunkte sah der BGH hier allerdings nicht.

BGH, Beschluss vom 27.03.2025 - I ZB 40/24

Redaktion beck-aktuell, ns, 22. Mai 2025.

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