Ein Vorsitzender Richter am OLG hatte als Vorsitzender einer Kammer am LG am Erlass eines Versäumnisurteils gegen die Beklagte mitgewirkt, nicht aber an dessen (weitgehender) Aufrechterhaltung. Inzwischen sitzt er dem Senat vor, der über die Berufung der Beklagten dagegen zu entscheiden hat. Der Beklagte sah ihn wegen seiner Beteiligung am Versäumnisurteil nach § 41 Nr. 6 ZPO von der Mitwirkung am Berufungsverfahren ausgeschlossen, drang mit seinem Ablehnungsgesuch beim OLG Frankfurt a.M. aber nicht durch.
Nach § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn er in einem früheren Rechtszug beim Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. Das ist laut OLG aber nicht der Fall, wenn der Richter an einem die Instanz nicht abschließenden Versäumnisurteil beteiligt war. Es sah den Richter auch nicht nach § 42 Abs. 2 ZPO als befangen an.
Der I. Zivilsenat des BGH teilt die Ansicht des OLG. Allerdings ist der 5. Senat des BAG in dieser Frage anderer Auffassung. Laut 5. BAG-Senat ist er jedenfalls dann nach § 41 Nr. 6 ZPO von der Mitwirkung am Berufungsverfahren ausgeschlossen, wenn es sich – wie hier - um ein Versäumnisurteil gegen den säumigen Beklagten handelt. Der I. Zivilsenat fragt deshalb beim 5. BAG-Senat an, ob dieser an seiner Rechtsauffassung festhält (Beschluss vom 09.01.2025 - I ZB 40/24).
Beteiligung an Versäumnisurteil keine Mitwirkung an angefochtener Entscheidung
Nach Ansicht des BGH ist die Beteiligung am Erlass des Versäumnisurteils keine Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung, mit der das Versäumnisurteil aufrechterhalten wurde. Der Fall sei dem eines Richters in der dritten Instanz vergleichbar, der an der erstinstanzlichen Entscheidung mitgewirkt hatte. Für diesen Fall hat der BGH einen Ausschluss nach § 41 Nr. 6 ZPO bereits verneint.
Eine analoge Anwendung des § 41 Nr. 6 ZPO hält der BGH für nicht geboten. Die ZPO gehe davon aus, dass Richterinnen und Richter grundsätzlich auch dann unvoreingenommen sind, wenn sie sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet haben. § 41 Nr. 6 ZPO sei eine begrenzte Ausnahme, um die Funktionsfähigkeit des Rechtsmittelverfahrens zu sichern. Zudem könne jede Partei einen Richter nach § 42 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen. Es fehle daher schon an einer planungswidrigen Regelungslücke. In Anbetracht der Regelungen in § 41 Nr. 6 ZPO und des § 42 ZPO sei auch keine verfassungskonforme Auslegung dahin geboten, dass ein Richter auch bei Vorbefassung ohne Beteiligung an der angefochtenen Entscheidung ausgeschlossen sei.
Auch eine Ablehnung des OLG-Richters nach § 42 ZPO hält der BGH für unbegründet. Denn sei der Richter wegen einer Vorbefassung nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen, komme eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände annehmen lassen, dass der Richter nicht bereit ist, seine frühere Beurteilung ergebnisoffen zu überprüfen.