Keine Befangenheit: Richter kann an Versäumnisurteil und Berufung dagegen mitwirken

Ein Richter ist laut OLG Frankfurt a.M. von der Mitwirkung in einem Berufungsverfahren gegen ein aufrechterhaltenes Versäumnisurteil nicht deshalb qua Gesetz ausgeschlossen, weil er das Versäumnisurteil mit erlassen hatte. Auch begründe dies nicht die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 ZPO.

In erster Instanz erging ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten, dass das LG auf dessen Einspruch hin weitgehend aufrechterhielt. Der Beklagte ging in Berufung. Der Vorsitzende Richter am OLG hatte am Versäumnisurteil mitgewirkt, nicht aber an der Entscheidung nach § 343 ZPO – der weitgehenden Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils. Der Beklagte sah ihn allerdings wegen seiner Beteiligung am Versäumnisurteil nach § 41 Nr. 6 ZPO qua Gesetz von der Mitwirkung am Berufungsverfahren ausgeschlossen. Jedenfalls bestehe die Besorgnis, dass der Richter befangen sei.

Das OLG sah das anders und erteilte dem Ablehnungsgesuch der Beklagten eine Absage (Beschluss vom 08.05.2024 - 6 U 212/23). Nach § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes unter anderem dann ausgeschlossen, wenn er in einer früheren Instanz "bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat". Laut OLG genügt danach die Mitwirkung an Entscheidungen, die der angefochtenen Entscheidung vorausgehen, nicht für einen Ausschluss. Die Beteiligung an einem Versäumnisurteil, dass die Instanz nicht abschließe, habe daher keinen Ausschluss nach § 41 Nr. 6 ZPO zur Folge. Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift hält das OLG nicht für geboten.

Versäumnisurteil nur Zwischenstufe, keine umfassende Entscheidung

Das OLG hält auch eine Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 42 ZPO für unbegründet. Allein die frühere Befassung des Richters mit der Sache mache ihn – außer in Fällen des § 41 Nr. 6 ZPO – grundsätzlich nicht befangen. Laut OLG liegt auch keine prozessrechtlich atypische Situation vor, die Befangenheit annehmen ließe. Er zieht zur Begründung eine Entscheidung des BVerwG heran, das Befangenheit bei einem Richter verneint hatte, der zwar nicht am angefochtenen Urteil, aber an einer vorinstanzlichen Eilentscheidung mitgewirkt hatte. Das OLG hält diese Konstellation für übertragbar auf den hiesigen Fall: Wie die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren sei das Versäumnisurteil (§ 331 ZPO) keine umfassende Entscheidung, sondern lediglich eine Zwischenstufe auf dem Weg zu einer endgültigen Entscheidung.

Das OLG hat wegen Divergenz die Rechtsbeschwerde zugelassen, da es von einer Entscheidung des BAG aus dem Jahr 1968 abweicht. Das hatte einen Richter in einem Berufungsverfahren gegen ein aufrechterhaltenes Versäumnisurteil nach § 41 Nr. 6 ZPO von der Mitwirkung ausgeschlossen gesehen, weil er am Versäumnisurteil gegen den säumigen Beklagten beteiligt gewesen war.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 08.05.2024 - 6 U 212/23

Redaktion beck-aktuell, hs, 17. Juni 2024.