Hintergrund sind im Jahr 2021 geschlossene Vergleiche zwischen VW, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn, dem ehemaligen Vorstandsmitglied Rupert Stadler und den D&O-Versicherern. Damit sollten mögliche Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Dieselskandal beigelegt werden. Neben Zahlungen der Versicherer in Höhe von rund 270 Millionen Euro und Eigenbeiträgen der Ex-Vorstände in Höhe von 11,2 Millionen Euro bzw. 4,1 Millionen Euro sah der Deckungsvergleich vor, dass VW Winterkorn und Stadler auch von bestimmten Ansprüchen Dritter freistellt und auf weitere Ansprüche gegen aktuelle und ehemalige Organmitglieder verzichtet. Die Hauptversammlung der Volkswagen AG stimmte den Vergleichsvereinbarungen mit einer Mehrheit von über 99% zu.
Aktionäre klagten daraufhin gegen die Zustimmungsbeschlüsse – und das größtenteils erfolgreich. Die Zustimmung zu den Deckungsvergleichen mit den Versicherern durch die Hauptversammlung sei nichtig, so der BGH (Urteil vom 30.09.2025 – II ZR 154/23). Und über die Zustimmung zu den Haftungsvergleichen mit den Vorständen muss die Vorinstanz erneut entscheiden.
Umfassender Verzicht gegen VW-Manager nicht erkennbar genug
Die Nichtigkeit der Zustimmung zum Deckungsvergleich ergebe sich aber nicht aus einem Verstoß gegen das Verbot der Rückgewähr von Einlagen gemäß § 57 Abs 1 AktG oder einem Verstoß gegen § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG. Vielmehr folge sie aus einem Fehler in der Tagesordnung.
Ebendiese Tagesordnung, die in der Einberufung zur Hauptversammlung angegeben war, wurde nicht den Anforderungen des § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG gerecht, so der BGH. VW hätte schon in der Tagesordnung mitteilen müssen, dass mit dem Deckungsvergleich ein Verzicht gegenüber sämtlichen amtierenden und ausgeschiedenen Organmitgliedern verbunden war, der nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG beziehungsweise § 117 Abs. 4, § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung bedurfte. Entsprechende Angaben seien aber nur in dem Bericht des Vorstands enthalten gewesen. Das genüge nicht, da sie so nicht mehr Teil der in der Einberufung angegebenen Tagesordnung waren.
Der "durchschnittliche Aktionär" müsse nicht damit rechnen, dass Informationen zu einer Beschlussfassung über einen Haftungsverzicht gegenüber vielen Organmitgliedern nicht direkt in der Tagesordnung zu sehen waren, sondern in weiteren Informationen zu den jeweiligen Tagesordnungspunkten, so die Karlsruher Richterinnen und Richter.
Fragerecht zu Vermögensverhältnissen nicht ausreichend berücksichtigt
Auch den Haftungsvergleich mit Winterkorn und Stadler ließ der BGH nicht unbeanstandet. Er rügte, dass die Vorinstanz das Fragerecht der Aktionäre nicht ausreichend berücksichtigt habe (OLG Celle*, Urteil vom 12.10.2022 – 23 O 63/21). Diese hätten Anspruch auf weitergehende Informationen zu den Vermögensverhältnissen der früheren Vorstandsmitglieder gehabt. Der Konzern hatte als Begründung für die Vergleiche angegeben, die Ex-Manager seien finanziell gar nicht in der Lage gewesen, den entstandenen Schaden selbst zu tragen.
Für eine fundierte Entscheidung über die Zustimmung zu den Vergleichen hätten die Aktionäre wissen müssen, in welchem Umfang mögliche Haftungsansprüche durch das Privatvermögen gedeckt gewesen wären. Die erteilten Auskünfte, etwa zu Einkommen, reichten nach Ansicht des BGH nicht aus. Das OLG Celle muss hierüber erneut verhandeln.
(*Versehentlich wurde das nicht existente OLG Hannover als Vorinstanz genannt. Richtig sind das OLG Celle sowie als Erstinstanz das LG Hannover)


