In dem beim BGH liegenden Fall haben Verwertungsgesellschaften die Betreiberin eines Senioren- und Pflegezentrums verklagt, in dem dauerhaft 89 pflegebedürftige Seniorinnen und Senioren leben. Die Heimbetreiberin empfängt über eine eigene Satellitenempfangsanlage Fernseh- und Hörfunkprogramme und sendet diese zeitgleich, unverändert und vollständig durch ihr Kabelnetz an die Anschlüsse in den Zimmern der Heimbewohner weiter. Die Verwertungsgesellschaften meinen, das greife in die von ihnen wahrgenommenen urheberrechtlichen Nutzungsrechte ein.
Nachdem sie die Heimbetreiberin erfolglos aufgefordert hatten, mit ihnen Lizenzverträge abzuschließen, verlangen die Gesellschaften nun vor Gericht, der Heimbetreiberin die Weitersendung zu untersagen. Hiermit hatten sie vor dem LG Erfolg. Das OLG hingegen wies die Klagen ab: Das Weitersenden der Rundfunkprogramme sei keine öffentliche Wiedergabe. Die Wiedergabe beschränke sich auf den begrenzten Personenkreis der Heimbewohner. Diese bildeten – ähnlich den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft – einen "strukturell homogenen und auf dauernden Verbleib in der Einrichtung ausgerichteten stabilen Personenkreis mit eher niedriger Fluktuation".
Drei Fragen an den EuGH
Bevor der BGH (Beschlüsse vom 08.02.2024 – I ZR 34/23 und I ZR 35/23) sich entscheidet, muss nun erstmal der EuGH ran. Der BGH will wissen, ob es sich bei den Heimbewohnern um eine "unbestimmte Anzahl potentieller Adressaten" handelt oder um "besondere Personen, die einer privaten Gruppe angehören". Im letzteren Fall würden die Bewohner keine Öffentlichkeit bilden.
Eine weitere Frage betrifft das für die Wiedergabe verwendete technische Verfahren. Nach der bisherigen Definition des EuGH erfordert eine "öffentliche Wiedergabe", dass "die Wiedergabe des geschützten Werks unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet", erfolgt. Der BGH möchte wissen, ob das verwendete technische Verfahren eventuell nur noch in Fällen Bedeutung hat, in denen eine Weiterübertragung von zunächst terrestrisch, satelliten- oder kabelgestützt empfangenen Inhalten (anders als im Streitfall) in das offene Internet stattfindet.
Der "Seniorenheim-Fall" werfe zudem die Frage auf, wann es sich um ein "neues Publikum" im Sinne der Rechtsprechung des EuGH zum Begriff der "öffentlichen Wiedergabe" handelt. Komme es darauf an, ob die Bewohner unabhängig von der Kabelsendung die Möglichkeit haben, die Fernseh- und Rundfunkprogramme in ihren Zimmern terrestrisch zu empfangen? Und sei bedeutsam, ob die Rechtsinhaber bereits für die Zustimmung zur ursprünglichen Sendung eine Vergütung erhalten?