Fernsehen im Seniorenheim: Keine öffentliche Wiedergabe?
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Ein Heimbetreiber, der über Satellitenanlage Fernseh- und Hörfunkprogramme an seine rund 90 Bewohner weiterleitet, verletzt nach Ansicht des Oberlandesgericht Zweibrücken keine Urheberrechte: Die Weiterleitung sei keine öffentliche Wiedergabe, weil die Senioren eine private bestimmte Gruppe bildeten. 

Der Betreiber eines Seniorenheims empfing über eine Satellitenanlage Fernseh- und Hörfunkprogramme und leitete diese über ein Kabel in die rund 90 Zimmer der pflegebedürftigen Bewohner. Eine Verwertungsgesellschaft sah in der Weiterleitung eine Verletzung der Urheberrechte und forderte deren Unterlassung. Das Landgericht Frankenthal gab der Klage statt, daher wandte sich der Heimbetreiber mit der Berufung an das OLG Zweibrücken – mit Erfolg.

Weiterleitung ist keine öffentliche Wiedergabe

Nach Ansicht der Zweibrücker Richter hat die Verwertungsgesellschaft keinen Anspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG auf Unterlassen, weil § 20b UrhG, wonach nur die Verwertungsgesellschaft das Recht hat, ein Werk weiterzusenden, hier nicht greife: Die Weiterleitung an die Heimbewohner ist laut OLG keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 1 UrhG in Verbindung mit § 2 Nr. 3 UrhG. Vielmehr handele es sich um einen abgeschlossenen privaten Kreis von potenziellen Empfängern der Sendungen.

Der Europäische Gerichtshof interpretiert "öffentliche Wiedergabe" dem OLG zufolge so, dass eine unbestimmt große Anzahl von Adressaten an der Sendung teilhaben können. Die rund 90 Heimbewohner seien zwar viele Personen, bildeten aber einen bestimmten privaten Empfängerkreis. Anders als in Reha-Kliniken oder Krankenhäusern bestehe hier keine hohe Fluktuation der Empfänger, weil sie in der Regel einen gesamten Lebensabschnitt in der Seniorenresidenz verbringen.

Die Zweibrücker Richter vergleichen sie eher mit einer Miteigentümergemeinschaft, die den einzelnen Wohnungseigentümern die per Gemeinschaftsantenne empfangenen Sendungen weiterleitet. Innerhalb der Gruppe bestünden auch private Bindungen, die über die Tatsache hinausgingen, dass sie alle Mietverträge mit dem gleichen Betreiber hätten.

Die Frage ist umstritten – so vertreten das Kammergericht und das OLG Dresden die gegenteilige Ansicht (GRUR-RS 2020, 28870 und GRUR-RS 2023, 732). In einer Parallelsache aus Zweibrücken (GRUR 2023, 722) ist beim Bundesgerichtshof die Revision anhängig (Az.: I ZR 34/23) .

OLG Zweibrücken, Urteil vom 16.03.2023 - 4 U 102/22

Redaktion beck-aktuell, 9. August 2023.