Doch kein Hausabriss nach Behördenfehler: BGH begräbt engen Verwendungsbegriff
© dpa | David Hammersen

Die Familie aus Brandenburg, die sich gegen den Abriss ihres Hauses auf einem ersteigerten Grundstück wehrt, steht nicht mehr vor dem Nichts. Der BGH verweist zurück und macht Vorgaben: Das Grundstück muss die Familie wohl nur räumen, wenn der wieder aufgetauchte Eigentümer die Kosten des Hausbaus erstattet.

Der emotionale Rechtsstreit um ein Haus und Grundstück in Brandenburg geht weiter. Der BGH hat der Revision der beklagten Eheleute stattgegeben, das OLG Brandenburg muss nun neu entscheiden - und dabei jede Menge Rechtsausführungen des für Ansprüche aus Besitz und Eigentum zuständigen V. Zivilsenats berücksichtigen. Für die beklagte Familie, die laut Vorinstanz ihr Haus abreißen und das Grundstück herausgeben sollte, das sie gutgläubig gekauft und bebaut hat, ist das mehr als ein Etappensieg. Auch juristisch gibt das Urteil aus Karlsruhe, mit dem der BGH gleich mehrfach auch auf Billigkeitserwägungen abstellt, einiges her (Urteil vom 14.03.2025 - V ZR 153/23).

Das Ehepaar mit zwei Kindern hatte 2010 bei einer Zwangsversteigerung am AG Luckenwalde den Zuschlag für ein Baugrundstück in Rangsdorf südlich von Berlin bekommen. Das Grundstück war versteigert worden, weil der Eigentümer Schulden bei der Stadt Freiburg hatte und angeblich nicht erreichbar war. Die Familie riss das dort stehende alte Wochenendhaus ab und baute sich ihr Eigenheim. Dafür nahm sie einen Kredit auf, der mit einer Grundschuld in Höhe von 280.000 Euro abgesichert war. Die Eheleute wurden als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen und bezogen ihr neues Zuhause.

Nur ein Jahr später meldete sich jedoch der ursprüngliche Eigentümer des Grundstücks. Der Amerikaner hatte das Bauland 1993 von seiner Großtante geerbt, die aus der DDR geflüchtet war und das Grundstück zurückgelassen hatte. Er war auch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen gewesen. Von der Zwangsversteigerung hatte der mittlerweile in der Schweiz lebende Mann nichts mitbekommen. Weder das Landratsamt noch das Grundbuchamt hatten seine Anschrift ermittelt, sondern auf öffentliche Zustellung zurückgegriffen. Allerdings gelang es ein Jahr später einem Winterdienst-Unternehmen, die Frau des Amerikaners ausfindig zu machen. Auf diesem Wege erfuhr der Erbe schließlich von der Zwangsversteigerung und versuchte von da an, das Grundstück zurückzubekommen. Die Instanzen urteilten unterschiedlich, vor dem OLG gewann er weitgehend. Das räumt der BGH nun ab und ändert dabei seine seit langem umstrittene Rechtsprechung zum Verwendungsersatz nach § 996 BGB. 

Sonst unfair: Senat schließt sich dem weiten Verwendungsbegriff an

Der Senat stellt fest, dass der Kläger zwar einen Anspruch auch Berichtigung des Grundbuchs nach § 849 BGB sowie auf Räumung des Grundstücks aus § 1004 BGB Abs. 1 BGB habe. Er habe sein Eigentum durch den Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren nicht verloren, weil es mit dem Beschluss, der den Zuschlag wieder aufgehoben habe, rückwirkend zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Zuschlagsbeschlusses wieder auflebe. Den Anspruch des Klägers müsse das beklagte Ehepaar aber, anders als das OLG meinte, nur Zug um Zug gegen Zahlung von Verwendungsersatz erfüllen. Auch die Verurteilung zum Abriss des Hauses und zur Löschung der Grundschuld hält der BGH für fehlerhaft. Es bleibe jedoch dabei, dass das beklagte Ehepaar Nutzungsersatz leisten muss. 

Um zu diesen Ergebnissen zu kommen, billigt der Senat den Eheleuten ein Zurückbehaltungsrecht bezüglich ihrer Verwendungen für den Hausbau zu, die das Paar hilfsweise geltend gemacht und mit mindestens rund einer halben Million Euro beziffert hat. Dazu gibt der Senat die bisherige BGH-Rechtsprechung auf und schließt sich dem in der Literatur seit langem bevorzugten weiten Verwendungsbegriff an.

Demnach sind getätigte Aufwendungen auch dann ersatzfähige Verwendungen im Sinne von § 996 BGB, wenn sie die Sache grundlegend verändern. Die Richterinnen und Richter begründen das mit einem gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Eigentümer und gutgläubigem Besitzer. Außerdem führten Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen einer nur erhaltenden oder verbessernden (ersatzfähigen) Aufwendung einerseits oder einer (nicht ersatzfähigen) grundlegenden verändernden Aufwendung andererseits zu Rechtsunsicherheit, korrigiert der Senat sich selbst. 

Für die nach § 996 BGB nötige Nützlichkeit der Verwendung stellt der BGH nun allein auf die objektive Verkehrswerterhöhung der Sache ab, auf den subjektiven Wert für den Eigentümer komme es nicht an. 

Gutgläubiges Ehepaar muss sein Wohnhaus nicht abreißen

Den Abriss des Wohnhauses könne der Kläger nicht verlangen, weil die Eheleute redliche Besitzer sind. Der gutgläubige, nicht verklagte Besitzer sei besonders schutzwürdig, ein Anspruch des Eigentümers aus § 1004 BGB Abs. 1 BGB auf Beseitigung des Resultats der Verwendungen gegen einen redlichen Besitzer ausgeschlossen. Diese Wertung leitet der Senat daraus ab, dass er nicht zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet sei - dann entstünde ein Wertungswiderspruch, wenn die Eheleute zwar keinen Ersatz dafür leisten müssten, dass sie das Wochenendhaus, das zuvor auf dem Grundstück stand, abgerissen haben, aber das von ihnen selbst erbaute Gebäude auf eigene Kosten wieder abreißen müssten.

Auch die Verurteilung zur Löschung der Grundschuld erklärt der BGH für fehlerhaft. Zwar habe die Frau als Nichtberechtigte wirksam über das Grundstück verfügt, doch ein Bereicherungsanspruch nach § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB scheide aus, da sie "durch die Verfügung" im Sinne der Norm nicht die Grundschuld erlangt habe, sondern nur die Sicherung ihres Darlehens.

Auf Grundlage dieser höchstrichterlichen Ausführungen muss das OLG Brandenburg nun weitere Feststellungen zu den Verwendungen der Eheleute treffen und widerspruchsfrei entscheiden.

Land will Schaden ersetzen

Brandenburgs Justizminister Benjamin Grimm (SPD) wertete die BGH-Entscheidung als "Meilenstein". Die Entscheidung gebe der Familie eine "grundsätzliche Perspektive", sagte Grimm laut einer Mitteilung seines Ministeriums. Jetzt stehe fest, dass die Familie das Haus nicht abreißen müsse. Außerdem müssten sie das Grundstück nur räumen, wenn der Eigentümer im Gegenzug Verwendungsersatz für die Errichtung des Hauses zahlt.

Das Land stehe weiterhin in der Pflicht, die materiellen Schäden der Familie zu ersetzen, bekräftigte Grimm. "Wir werden uns nächste Woche gemeinsam mit der Familie die Details der Entscheidungsgründe genauer ansehen und ihre Auswirkungen auf das weitere Verfahren bewerten."

BGH, Urteil vom 14.03.2025 - V ZR 153/23

Redaktion beck-aktuell, Pia Lorenz, 14. März 2025 (ergänzt durch Material der dpa).

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