Notarbewerber muss absolut ehrlich sein

Wer sich um eine Notarstelle bewirbt, muss absolut ehrliche Angaben machen. Der BGH hat deshalb einem Rechtsanwalt die begehrte Bestellung verweigert: Er hatte in einem Fragebogen ein früheres Verfahren gegen ihn verschwiegen, weil es eingestellt worden war.

Der Notarsenat des BGH war streng, obwohl – oder weil – ihm auch zwei Notarinnen angehören: Er verweigerte einem Rechtsanwalt die beantragte Zulassung einer Berufung gegen ein Urteil des OLG Celle. Das hatte der niedersächsischen Justizverwaltung recht gegeben, die seine Bewerbung für eine von fünf offenen Stellen im AG-Bezirk Hildesheim abgelehnt hatte. Übrigens gab es nur drei Kandidaten bzw. Kandidatinnen, was den Mangel an Bewerbern bzw. Bewerberinnen in manchen Regionen unterstreicht, den kürzlich ein (ehemaliger) Notar vor dem BGH als Argument gegen die Altersgrenze von 70 Jahren vorgebracht hatte.

Strengerer Maßstab als bei Anwälten

Mit Rücksicht auf die Bedeutung und Schwierigkeiten der Aufgaben, die ein Notar als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amts auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege zu erfüllen habe (§ 1 BNotO), dürfe der an die persönlichen Eigenschaften des Bewerbers bzw. der Bewerberin anzulegende Maßstab nicht zu milde sein, heißt es in der am Mittwoch veröffentlichten BGH-Entscheidung (Beschluss vom 10.03.2025 – NotZ (BrfG) 2/24). Daher sei der Bewerber bzw. die Bewerberin "in besonderem Maße zur Integrität verpflichtet". Die Anforderungen an ihn bzw. sie gingen folglich auch in Bezug auf die persönliche Eignung über jene hinaus, die an einen Rechtsanwalt bzw. eine Anwältin zu stellen seien. Die Auskunftspflicht müsse "peinlich genau" erfüllt werden – wenngleich die Anforderungen auch nicht überspannt werden dürften, denn sie seien kein "Selbstzweck".

Der Jurist hatte in dem Formular die Frage verneint, ob gegen ihn ein straf- oder berufsrechtliches Ermittlungsverfahren, disziplinarische Vorermittlungen oder ein Disziplinarverfahren liefen oder vorher anhängig gewesen waren. An drei vorherigen Stellen wies der Vordruck – teilweise in Fettdruck – auf die Pflicht hin, "wahrheitsgemäß und vollständig" zu antworten. Doch hatte die Anwaltskammer Celle im Jahr 2020 ein Aufsichtsverfahren gegen ihn geführt. Dem lag die Beschwerde eines Mandanten zugrunde, der Anwalt habe zwei zivilrechtliche Mandate trotz Fristsetzung nicht weiter bearbeitet. Nach einer Stellungnahme des Juristen stellte die Selbstverwaltungseinrichtung das Verfahren ohne Maßnahmen ein; in der hatte der Mann allerdings durchaus eigenes Fehlverhalten eingeräumt. Doch die Kammer entschied nach dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten". Anders im Bewerbungsverfahren um einen Notarplatz: Hier gehen fortbestehende Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers laut BGH stets zu dessen Lasten.

Egal ob Vorsatz oder Nachlässigkeit

Wesentliche Voraussetzung für die persönliche Eignung eines Bewerbers bzw. einer Bewerberin ist den obersten Berufsrichtern zufolge, dass der rechtsuchende Bürger oder die rechtssuchende Bürgerin ihm bzw. ihr Achtung und Vertrauen entgegenbringen kann (§ 14 Abs. 3 S. 1 BNotO). "Deshalb kommt es nicht nur auf Rechtskenntnisse und Fähigkeiten wie Urteilsvermögen, Entschlusskraft, Standfestigkeit, Verhandlungsgeschick und wirtschaftliches Verständnis an, sondern ebenso auf uneingeschränkte Wahrhaftigkeit und Redlichkeit." Auch im Verhältnis zu den Aufsichtsbehörden kämen die letztgenannten Eigenschaften zum Tragen. Diese müssten sich darauf verlassen können, dass der Kandidat bzw. die Kandidatin ihnen vollständige und wahrheitsgemäße Angaben mache – egal ob ein vorsätzlicher Täuschungsversuch oder nur Nachlässigkeit vorliege. Der gescheiterte Anwalt hatte bereits in früheren Anläufen zur Ernennung als Notarvertreter das Vorverfahren unter den Tisch fallen lassen; dabei lag es noch immer nicht so lang zurück, dass es aus den Akten hätte getilgt werden müssen.

Nicht bedeutsam fand der Notarsenat, dass der frühere Vorfall möglicherweise nicht die persönliche Eignung des Mannes infrage stellen konnte. "Maßgeblich ist vielmehr, dass diese Beurteilung allein von der Justizbehörde vorzunehmen gewesen wäre und nicht dem Kläger oblag." Das dürfe er nicht "eigenmächtig" selbst entscheiden. Ebenso wenig komme es darauf an, ob die entsprechenden Fragen in anderen Bundesländern "noch nachdrücklicher" formuliert seien.

BGH, Beschluss vom 10.03.2025 - NotZ (BrfG) 2/24

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 9. April 2025.

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