Der BGH meint, dies bedürfe ergänzender Feststellungen. Er hat die Sache daher zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück an das OLG München verwiesen. Dieses hatte der inzwischen insolventen Großmetzgerei auf die Klage des Insolvenzverwalters einen Schadensersatzanspruch zuerkannt. Die Warnung des Bayerischen Verbraucherschutzministerium erachtete es als zu undifferenziert; bestimmte in der Verpackung – werkseitig – nachpasteurisierte Produkte seien nicht ausgenommen worden.
Behörde nicht zu Aufklärungen "ins Blaue hinein" verpflichtet
Der BGH sieht das anders (Urteil vom 19.12.2024 - III ZR 24/23). Er stellt zunächst klar, dass die Produktwarnung grundsätzlich ergehen durfte. Es hätten damals hinreichende Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass von den Erzeugnissen der Metzgerei eine Gefährdung für die Sicherheit und Gesundheit der Verbraucher ausging.
Den Ausführungen des OLG, die zuständigen Beamten hätten amtspflichtwidrig gehandelt, da sie nachpasteurisierte Produkte von der Warnung nicht ausgenommen hätten, will der BGH so nicht folgen. Dafür gäben die vom OLG getroffenen Feststellungen nämlich nichts her. Von den Behördenmitarbeitern habe keiner irgendwelche Wahrnehmungen gemacht, die auf ein Nachpasteurisieren von Produkten hätten schließen lassen. Auch die Metzgerei selbst – sprich: ihr Geschäftsführer – habe nicht auf einen Nachpasteurisierungsprozess und entsprechende Produkte hingewiesen. Vor diesem Hintergrund sieht der BGH die Beamten nicht in der Pflicht, von sich aus durch Befragung des Personals gleichsam "ins Blaue hinein" zu eruieren, ob und welche nachpasteurisierten Erzeugnisse die Metzgerei in ihrem Sortiment führte.
Metzgerei hätte selbst auf unbedenkliche Waren hinweisen müssen
Vielmehr hätte das Unternehmen von sich aus auf unbedenkliche Produkte in seinem Sortiment aktiv hinweisen müssen. Das ergebe sich aus seiner Mitwirkungs- und Kooperationspflicht. Der BGH führt die Systematik des Unionsrechts ins Feld: Danach seien die Unternehmen primär und vollumfänglich für die Sicherheit von Erzeugnissen und die Einhaltung der einschlägigen Normen verantwortlich. Art. 19 Abs. 4 Basisverordnung sehe ausdrücklich vor, dass die Lebensmittelunternehmer bei Maßnahmen, die getroffen werden, um die Risiken durch ein Lebensmittel, das sie liefern oder geliefert haben, zu vermeiden oder zu verringern, mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten müssen. Es handele sich dabei nicht um eine bloß allgemeine Mitwirkungsobliegenheit, sondern um eine echte Mitwirkungs- und Kooperationspflicht. Daher hätten die Gesundheitsbehörden darauf vertrauen dürfen, dass die Metzgerei einen Hinweis auf nachpasteurisierte Lebensmittel spätestens nach Ankündigung der umfassenden Produktwarnung vorgebracht hätte.
Der BGH sieht aber weiteren Aufklärungsbedarf. Denn das OLG hatte die Behauptung der Großmetzgerei dahinstehen lassen, die Behördenmitarbeiter hätten positive Kenntnis von der Nachpasteurisierung gehabt, und die hierfür benannten Zeugen nicht vernommen. Der BGH hält es für möglich, dass sich aus einer Vernehmung Anhaltspunkte für ein fahrlässiges Verhalten von Amtsträgern ergeben könnten – und zwar selbst dann, wenn die Zeugen das positive Wissen der Behördenmitarbeiter um den Nachpasteurisierungsprozess nicht bestätigen sollten.