Der Fall von Familienrichter Christian D. hat hohe Wellen geschlagen – nicht nur wegen des bemerkenswerten Sachverhalts, sondern auch, weil seine Anhänger aus der Querdenker-Szene ihn zum Kämpfer für Recht und Freiheit hochstilisiert haben. Beim Verhandlungstermin am 28. August waren sie in Scharen nach Karlsruhe gekommen, um ihren Helden zu unterstützen.
Solche Solidarität hatte der Weimarer Amtsrichter sich "verdient", indem er im April 2021 per einstweiliger Anordnung bestimmte Corona-Schutzmaßnahmen an zwei Weimarer Schulen untersagte – unter anderem die Anordnung der Maskenpflicht. Er habe das Kindeswohl gefährdet gesehen, argumentierte der Richter.
Um eingreifen zu können, hatte er aktiv Eltern in seinen Gerichtssaal gelotst, um gegen die damaligen Corona-Maßnahmen entscheiden zu können.* Außerdem hatte der Richter gezielt über seine private E-Mail-Adresse Sachverständige angeworben, die seine vorgefasste Auffassung bestätigen würden.
Zwar hatte das OLG Jena den Eilbeschluss in der Folge wegen fehlender Zuständigkeit aufgehoben, was auch der BGH bestätigte. Für Christian D. hatte die Sache allerdings ein Nachspiel: Weil er in gravierender Weise befangen gewesen sei und ein Urteil gefällt habe, "das er von vorneherein so beabsichtigt habe", verurteilte das LG Erfurt ihn wegen Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe.
BGH: Richteramt zielgerichtet missbraucht
Gegen das Urteil legten sowohl die Verteidiger des Richters als auch die Staatsanwaltschaft Revision ein. Beide hat der BGH jetzt als unbegründet verworfen (Urteil vom 20.11.2024 – 2 StR 54/24). Das LG habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass Christian D. bereits 2021 die Absicht gehabt habe, die Corona-Maßnahmen an den Weimarer Schulen zu verbieten. Er habe deshalb zielgerichtet darauf hingewirkt, dass ein entsprechendes Verfahren in seinen geschäftsplanmäßigen Zuständigkeitsbereich gelangen werde. Für seinen Plan habe er das ihm übertragene Richteramt zielgerichtet benutzt und missbraucht, so der BGH zur Revision des Angeklagten.
Der Richter habe zudem in elementarer Weise gegen Verfahrensvorschriften verstoßen und sich zahlreiche Gehörsverstöße zuschulden kommen lassen, führen die Karlsruher Richter und Richterinnen weiter aus. Dass er Sachverständige unter dem Gesichtspunkt ausgewählt hatte, dass sie mit seiner eigenen Rechtsauffassung übereinstimmten, habe das LG zu Recht als Rechtsbeugung gewertet.
Motivation für BGH irrelevant
Seine Verteidiger drangen mit ihrer Argumentation nicht durch, Christian D. habe in einer rechtlichen Grauzone agiert. Nach § 1666 BGB habe das Familiengericht von Amts wegen Maßnahmen zu treffen, um eine Gefährdung eines Kindes zu verhindern, wo die Eltern dies nicht können. Ob solche Maßnahmen gegen Behörden gerichtet werden könnten, sei rechtlich nicht geklärt. Für den BGH wogen die Verfahrensverstöße in ihrer Kombination zu schwer: Somit komme es "im konkreten Fall weder auf die Motive des Angeklagten noch darauf" an, "ob die Endentscheidung materiell rechtskonform war", so der 2. Strafsenat.
Allerdings hielt er auch die Revision der Staatsanwaltschaft für unbegründet, die eine höhere Haftstrafe gefordert hatte. Die Überprüfung des landgerichtlichen Urteils habe keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten ergeben.
Die Folgen der BGH-Entscheidung sind für Christian D., der bisher nur vorläufig seines Amtes enthoben worden war, gravierend. Nicht nur, dass es bei der Bewährungsstrafe bleibt; auch sein Richterdienst endet mit Rechtskraft des LG-Urteils, ohne dass es einer weiteren gerichtlichen Entscheidung bedarf (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 DRiG). Damit verliert Christian D. auch seine Pension.
*inhaltlich korrigiert am 21.11.2024, 12:50 Uhr (Denise Dahmen).