Ein Anwalt beantragte nach dem Tod seiner Ehefrau bei der Familienkasse, das Kindergeld für seine beiden Kinder ab sofort an ihn zu zahlen. Das Schreiben übermittelte er qualifiziert elektronisch signiert über das beA an das beBPo der Familienkasse. Auf demselben Weg übersandte er auch den Antrag auf Kindergeld und für jedes Kind eine Anlage Kind. Die Familienkasse hielt den Antrag jedoch für formunwirksam, § 67 EstG erlaube keine Antragstellung per beA.
Nach § 67 S. 1 Hs. 2 EstG ist statt eines schriftlichen Antrags "eine elektronische Antragstellung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich vorgeschriebene Schnittstelle zulässig, soweit der Zugang eröffnet wurde". Das FG Hessen stützte sich auf diese Regelung und wies die Klage des Anwalts mangels Einhaltung der vorgeschriebenen Form ab. Es verwies auf den gesetzgeberischen Willen, Verfahren durch Standardisierung zu vereinfachen und zu beschleunigen, der anderenfalls konterkariert würde. Auch würde sonst die Anwaltschaft in privaten Angelegenheiten bevorteilt. Gegenüber § 87a Abs. 1 AO, wonach die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig ist, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet hat, sei § 67 S. 1 Hs. 2 EstG lex specialis. Außerdem sei die Familienkasse nur objektiv über ihr Behördenpostfach erreichbar, subjektiv habe sie den Zugang nicht eröffnet.
§ 67 S. 1 Hs. 2 EstG entfaltet keine Sperrwirkung
Das sah der III. Senat des BFH nun auf Revision des Anwalts anders und hat die Familienkasse verpflichtet, über den Kindergeldantrag neu zu entscheiden (Urteil vom 30.04.2024 - III R 15/23). Ein formwirksamer Kindergeldantrag könne auch über ein beA an ein beBPo der Familienkasse gestellt werden. Zwar erfülle ein auf diesem Weg gestellter Antrag nicht die Anforderungen nach § 67 S. 1 Hs. 2 EstG, aber die einer "schriftlichen Antragstellung" im Sinn von § 67 S. 1 Hs. 1 EStG in Verbindung mit § 87a Abs. 1 Satz 1 AO.
Laut BFH entfaltet § 67 S. 1 Hs. 2 EstG keine Sperrwirkung für andere Formen der elektronischen Übermittlung. Die Regelung führe nicht dazu, dass ein elektronischer Kindergeldantrag nur noch nach dem amtlich vorgeschriebenen Datensatz über die amtlich vorgeschriebene Schnittstelle zulässig ist. Neben dem Wortlaut, der andere Formen der elektronischen Antragstellung nicht ausschließe, führt der BFH insbesondere ins Feld, dass der Zweck des Kindergeldes, das Kinderexistenzminimum freizustellen und die Familie zu fördern, dafür spreche, den Zugang dazu niederschwellig zu halten.
Die Familienkasse habe auch den Zugang für eine Übermittlung per beA an das beBPo eröffnet. Entgegen dem FG genüge es, dass die Familienkasse über das beBPo objektiv erreichbar ist. Denn die erforderliche Bereitschaft der Familienkasse, elektronische Mitteilungen entgegenzunehmen, sei durch § 6 Abs. 2 Nr. 2 ERVV (Adressierbarkeit des beBPo für andere Inhaber besonderer elektronischer Postfächer) gesetzlich vorgegeben.