Die fehlende gesetzliche Verpflichtung zur Führung einer elektronischen Kasse verursacht kein strukturelles, dem Gesetzgeber zuzurechnendes Vollzugsdefizit. Damit blieb vor dem Bundesfinanzhof die Revision eines Gastronoms erfolglos, der dem Staat vorwirft, durch die Duldung offener Ladenkassen Steuerhinterziehung zu erleichtern. Nach Ansicht des Gerichts besteht jedoch auch für Betreiber einer offenen Ladenkasse ein Entdeckungsrisiko bei Manipulationen.
Kläger moniert ungleiche Steuerfestsetzung
Der Kläger hatte moniert, dass bei offenen Ladenkassen, wie sie gerade im Bereich der Gastronomie häufig eingesetzt würden, die Finanzbehörde keine nennenswerten Möglichkeiten habe, den angegebenen Umsatz auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Jedenfalls blieben die Prüfungsmöglichkeiten weit hinter dem zurück, was bei Registrierkassen möglich sei. Dadurch werde eine gleichmäßige Steuerfestsetzung bei allen Marktteilnehmern ausgeschlossen und er, der bereits elektronische Registrierkassen einsetze, werde in seinem Recht auf Gleichbehandlung verletzt.
Kein strukturelles Vollzugsdefizit
Nach Auffassung des BFH bestanden zwar im Jahr 2015 - auf diesen Zeitraum hatte der Gastronom seine Klage gestützt - offensichtliche Probleme bei der Erhebung und Verifikation von Besteuerungsgrundlagen insbesondere in der Gastronomie. Diese hätten aber nicht zu einem strukturellen, dem Gesetzgeber zuzurechnenden Erhebungsmangel geführt, der die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung zur Folge habe. Vielmehr habe auch für solche Betriebe im Jahr 2015 eine Rechtslage bestanden, die auf die Durchsetzung der geltenden Steuergesetze abzielte. Auch für Betreiber einer offenen Ladenkasse habe ein Entdeckungsrisiko bei Manipulationen bestanden. Die geltenden Erhebungsregeln seien jedenfalls nicht derart ineffektiv gewesen, dass ein Unterlassen weiterer Regelungen bezüglich der Besteuerung von Betrieben mit offener Ladenkasse im Bereich der Gastronomie dem Gesetzgeber als strukturelles Vollzugsdefizit angelastet werden könnte.
BFH, Urteil vom 16.12.2021 - IV R 34/18
Redaktion beck-aktuell, 17. Dezember 2021.
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
Hafner, Neue GoBD: Kommt jetzt die Finanzverwaltung 4.0?, BB 2020, 363
BFH, Richtsatzschätzung bei fehlerhafter elektronischer Registrierkasse, BeckRS 2019, 20620
FG Baden-Württemberg, Kein verfassungsrechtlicher Anspruch eines bargeldintensiven Betriebs auf nur teilweise Besteuerung der Bareinnahmen im Veranlagungszeitraum 2015 wegen eines strukturellen Erhebungsdefizits bei der Besteuerung bargeldintensiver Geschäftsbetriebe wie z. B. Gaststätten und Hotels, BeckRS 2018, 35613 (Vorinstanz)
Schwenker, Gesetzliche Neuregelung zum Schutz vor Manipulation bei den elektronischen Registrierkassen, DStR 2017, 225
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