Eine Postzustellerin stellte einer Steuerberatungskanzlei ein Urteil ersatzweise durch Einlegen in deren Briefkasten zu – laut Zustellungsurkunde am 22.04.2023, einem Samstag. Die Zustellerin vermerkte dort, sie habe versucht, das Schriftstück zu übergeben, das sei aber nicht möglich gewesen. Der Kanzleibriefkasten wurde am Montag geleert, die Revision gegen das Urteil beim BFH schließlich am 23.05.2023 eingelegt.
In Streit stand, ob die einmonatige Frist für die Einlegung der Revision gewahrt wurde. Die als Zeugin vernommene Zustellerin sagte vor dem BFH aus, sie habe bei der Kanzlei nicht erst geklingelt, sondern den Briefumschlag direkt in den Briefkasten eingelegt – das sei so vorgesehen bei Unternehmen, die samstags geschlossenen seien.
Der BFH hat anschließend die Revision für zulässig erklärt, die Revisionsfrist sei gewahrt worden (Zwischenurteil vom 25.06.2024 - X R 13/23). Die Zustellung am 22.04.2023 sei wegen Verstoßes gegen § 180 S. 1 ZPO (i. V. m. § 53 Abs. 2 FGO) unwirksam gewesen, weil es an einem persönlichen Übergabeversuch gefehlt habe. Aufgrund der Aussage der Zustellerin sei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt (§ 418 Abs. 2 ZPO).
Ohne Belang, ob jemand da war
Es spiele keine Rolle, ob an dem Samstag jemand in der Kanzlei gewesen sei, der das Urteil hätte entgegennehmen können. Denn maßgeblich sei, dass die Zustellerin einen falschen Sachverhalt, einen vorherigen Übergabeversuch, beurkundet hat. Es sei auch keine bloße Förmelei, an einem Samstag bei einer Kanzlei klingeln zu müssen. Denn gerade bei Freiberuflern könne es vorkommen, dass sie auch an Samstagen arbeiten.
Da die Ersatzzustellung gegen zwingende Zustellungsvorschriften verstoßen habe, sei der Mangel erst mit dem tatsächlichen Zugang, der Leerung des Briefkastens am Montag, geheilt worden, so dass die Revisionsfrist eingehalten wurde.
Der BFH schließt mit seinem Urteil an eine Entscheidung von 2022 an, in der es um eine Zustellung während der Corona-Pandemie ging.