Berger-Anwalt will Cum-Ex-Urteile wegen Verfahrensfehlern kippen
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Hanno Berger, der als Erfinder der Cum-Ex-Aktiendeals gilt, will gegen seine zwei Verurteilungen zu Haftstrafen vorgehen. Sein Verteidiger, der ehemalige BGH-Richter Jürgen Graf, setzt für die Revision beim Schweizer Auslieferungsbescheid von 2021 an.

Der heute 72-jährige Berger war Ende 2012 vor der deutschen Justiz in die Schweiz geflohen und hatte sich dort jahrelang einem Prozess in Deutschland entzogen. Im Februar 2022 wurde er dann doch in die Bundesrepublik überstellt, wo er wegen Steuerhinterziehung vom Landgericht Bonn zu acht Jahren und vom Landgericht Wiesbaden zu acht Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Revisionsrechtler Graf bezieht sich zur Begründung der Rechtsmittel auf den Spezialitätsgrundsatz, demzufolge eine Verurteilung nur in dem Rahmen erfolgen darf, der im Auslieferungsbescheid festgelegt wurde. Genau daran zweifelt Graf, denn die in der Entscheidung der Schweiz genannten Vorwürfe der Täuschung und der Arglist, die als Merkmale des "gemeinrechtlichen Betrugs" ausschlaggebend waren für die Auslieferung, kämen in dem Bonner Urteil gar nicht vor.

"Damit ist fraglich, ob dem Schweizer Auslieferungsbescheid Genüge getan wurde." Steuerhinterziehung sei in der Schweiz kein Auslieferungsgrund, gemeinrechtlicher Betrug - also Betrug am Staat - aber schon. Sollte sich im Rückblick herausstellen, dass es bei den deutschen Urteilen nur um Steuerhinterziehung ging und nicht um die Merkmale des gemeinrechtlichen Betrugs, hätte die Auslieferung nie erfolgen dürfen, argumentiert Graf. Das Wiesbadener Urteil liege schriftlich noch nicht vor.

Berger gilt als Architekt und treibende Kraft der Cum-Ex-Deals

Steuerrechtler Berger, der vor seiner Anwaltskarriere in führenden Wirtschaftskanzleien in der hessischen Finanzverwaltung tätig war,  gilt als Architekt und treibende Kraft der Cum-Ex-Deals, mit denen Banken und Investoren den Staat geschätzt um mindestens zehn Milliarden Euro prellten. Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende des Verwirrspiels erstatteten Finanzämter Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. 2012 wurde das Steuerschlupfloch geschlossen.

Lange war unklar, ob Cum-Ex-Geschäfte nur unmoralisch oder illegal waren. 2021 wertete sie der Bundesgerichtshof dann als Steuerhinterziehung. Die beiden Urteile gegen Berger können nachträglich zu einer Gesamtstrafe verrechnet werden. Dann drohen ihm bis zu 15 Jahre Gefängnis. Dazu müssen die Urteile aber rechtskräftig sein. Berger sitzt aktuell in der Justizvollzugsanstalt Frankfurt-Preungesheim, seinem Anwalt zufolge hat er gesundheitliche Probleme. Noch ist unklar, wann der BGH über die Revision gegen Bergers Verurteilung entscheidet.

Redaktion beck-aktuell, ak, 31. August 2023 (dpa).