Nach der Einführung der aktiven Nutzungspflicht des beA zum 1. Januar 2022 gingen die meisten Anwältinnen und Anwälte davon aus, dass diese nur bei einer anwaltlichen Tätigkeit gilt. Entweder bei der Tätigkeit für Mandantinnen und Mandanten oder dann, wenn sie anwaltlich in eigener Sache tätig werden.
Doch die Rechtsprechung sieht dies mittlerweile anders und stützt sich dabei auf den Wortlaut des § 130d ZPO, der bezogen auf die Anwaltschaft lautet: "Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt …. sind als elektronisches Dokument zu übermitteln."
Anwälte müssen beA auch in privaten Angelegenheiten nutzen
Worum geht es: In einer ersten Entscheidung des BGH (Beschluss vom 04.04.2024 – I ZB 64/23) war ein Rechtsanwalt in einem eigenen Zwangsvollstreckungsverfahren nicht als Prozessbevollmächtigter aufgetreten, sondern hatte als Privatperson in eigener Sache Rechtsmittel eingelegt. Der BGH vertrat hier erstmals die Auffassung, dass ein Rechtsanwalt gemäß § 130d S. 1 ZPO den elektronischen Weg nutzen muss, zumindest wenn er ein Rechtsmittel einlegt. Denn § 130d S. 1 ZPO spreche nicht von einem Mandat. Damit sei die Vorschrift rein statusbezogen zu sehen.
So richtig glauben wollten dies damals viele nicht und meinten, allein auf den Status könne es nicht ankommen. Aber vor kurzem hat sich der V. Zivilsenat des BGH (Beschluss vom 27.03.2025 – V ZB 27/24) für ein Teilversteigerungsverfahren der Auffassung des I. Zivilsenats in einer ausführlichen Entscheidung angeschlossen. Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung ergebe sich bei einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin aus dem Status, da in § 130d S. 1 ZPO formuliert ist "durch einen Rechtsanwalt". Es komme also nur auf die Anwaltseigenschaft an. Dabei sei es irrelevant, ob es sich um ein fremdes, ein eigenes oder gar keine Mandatswahrnehmung handele. Die Formulierung sei eben anders als in § 130a ZPO, der von Parteien etc. spreche. Das beA sei nicht nur im beruflichen Bereich eines Rechtsanwalts zu nutzen, auch wenn die Pflicht zur beA-Nutzung sich aus dem Berufsrecht (§ 31a BRAO) ergebe. Denn eine private Nutzung des beA sei nicht verboten.
Der BGH gesteht zwar zu, dass sich aus der Gesetzgebungsgeschichte nichts zur statusbezogenen Nutzung ergebe, jedoch aus dem Zweck der Norm. Denn der Gesetzgeber habe bewusst den elektronischen Rechtsverkehr fördern wollen und habe damit eine vom Wortlaut her klare Formulierung gefunden. Der Senat sah auch keinen unzulässigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit oder in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Rechtsanwalts. Ihm würden keine besonderen Pflichten auferlegt, sondern er müsse nur ein vorhandenes Instrumentarium nutzen. Ohne Wenn und Aber waren die Rechtsmittel in beiden Verfahren unzulässig, ohne Übergangsfrist, ohne Wiedereinsetzung.
Einreichung aus dem Ausland ebenfalls nur per beA
Diese Vorschrift hat der BGH jetzt auch auf dienstleistende europäische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gemäß § 25 EuRAG angewandt (Beschluss vom 15.05.2025 – IX ZB 1/24). Dies sind europäische Anwältinnen und Anwälte, die vorübergehend in Deutschland tätig sind und sein dürfen. Sie haben gemäß § 27 EuRAG die gleichen Rechte und Pflichten wie ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen. Nach Ansicht des BGH gehört dazu auch die Pflicht, die Nutzungspflicht aus § 130d ZPO einzuhalten. Denn eine Ausnahme sähen weder die ZPO noch das EuRAG vor. Im Gegenteil sehe das EuRAG in § 27asogar ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass der dienstleistende europäische Rechtsanwalt oder die Anwältin ein eigenes beA beantragen könne. Daher seien sie auch zur Nutzung verpflichtet. Dem stehe auch die Dienstleistungsfreiheit nicht entgegen. Auch hier war das Rechtsmittel somit unzulässig.
Eine Ausnahme von dieser statusbezogenen Sichtweise hat hingegen jüngst das FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 10.06.2025 – 3 K 3005/23) vertreten. In ganz besonderen Fällen sei ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin bei einer privaten Angelegenheit nicht zur Nutzung des beA verpflichtet. Dabei geht das FG davon aus, dass die statusbezogene Frage noch nicht entschieden sei, übersieht aber wohl die Beschlüsse des BGH, insbesondere den vom 27. März dieses Jahres (s. o.). Denn der BGH hat die Statusfrage eindeutig entschieden. Nach dieser Entscheidung wäre auch der Rechtsanwalt in der privaten Angelegenheit zur Nutzung des beA erforderlich gewesen.
Was bedeutet dies: Wer als Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin zugelassen ist, muss in der Korrespondenz mit den Gerichten aller Instanzen immer die elektronische Kommunikation, also sinnvollerweise das beA, nutzen. Zwar ist dies bisher in den beiden Entscheidungen nur auf Rechtsmittel bezogen, aber es ist zu erwarten, dass die Gerichte dies jetzt auf alle Schriftsätze, Klagen, Anträge etc. ausdehnen werden. Denn in dem Beschluss vom 27. März sind so grundsätzliche Ausführungen enthalten, dass eine Begrenzung nur auf Rechtsmittel eher unwahrscheinlich ist. Daher sollte jede und jeder von uns das beA auch in privaten Angelegenheiten nutzen, damit Anträge nicht als unzulässig abgelehnt werden. Dies dürfte auch für Syndizi gelten, denn auch diese sind Anwältinnen und Anwälte im Sinne des § 130d ZPO, weil § 46c BRAO hier keine Ausnahme vorsieht.
Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in Singen (Hohentwiel) und ehemaliger Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln. Er veröffentlicht regelmäßig Fachbeiträge u.a. zu berufsrechtlichen Themen.