BAG setzt verstärkt auf den EuGH
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"Ein Zeichen der Hoffnung für die Rechtsstaatlichkeit und die europäische Rechtsgemeinschaft" sieht BAG-Präsidentin Inken Gallner in der Zusammenarbeit der Gerichte besonders in Europa. Gerade der EuGH verstärke seine Bemühungen um eine vertiefte Kooperation mit den Verfassungs- und Höchstgerichten der Mitgliedstaaten noch weiter, sagte Gallner am Mittwoch bei ihrem Jahrespressegespräch. Das deutsche Arbeitsrecht werde zunehmend europarechtlich "überformt".

Die Pressekonferenz der obersten Arbeitsrichter litt unter den Auswirkungen ihres eigenen Rechtsgebiets: Der derzeitige Streik im Nahverkehr hatte einigen Journalisten die Anreise in Erfurt vereitelt. Insgesamt hatte das Gericht im vergangenen Jahr mit einem Zuwachs der neu eingetroffenen Akten um knapp 10% auf 1.391 Verfahren zu kämpfen; die durchschnittliche Dauer der erledigten Verfahren stieg denn auch auf neun Monate und sechs Tage (2022: fünf Monate und vier Tage). Doch habe die Sozialpartnerschaft in Zeiten der Pandemie – auch durch die Nutzung von Homeoffices – gut funktioniert und somit Streitigkeiten vermieden.

Im laufenden Jahr rechnet Gerichtschefin Gallner mit weiteren Vorgaben der Europarichter etwa zum "Pay Gap" zwischen Männern und Frauen, ferner mit restlichen Entscheidungen in Erfurt im Zusammenhang mit der Corona-Epidemie und mit Antworten auf Rechtsfragen rund um die Gleichbehandlung von Teilzeitarbeitern. Reagieren müssen die Europarichter überdies auf eine Anfrage des BAG wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei dortigen Senaten über die Folgen, die eine unzulängliche Ankündigung von Massenentlassungen bei der Bundesagentur für Arbeit hat. Beschäftigen wird die Luxemburger und Erfurter Richter Gallners Aussagen zufolge auch weiterhin die Kündigung von Arbeitnehmern wegen mangelnder Kirchenmitgliedschaft. Zudem werde eine EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz umzusetzen sein.

Gallner bedauerte, dass ein unfertiger Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Kontrolle der Arbeitszeit vorzeitig an die Öffentlichkeit gelangt sei. Ihr Gericht hatte eine Grundsatzentscheidung des EuGH dazu nach Ansicht mancher Arbeitsrechtler strenger ausgelegt als nötig, indem es sich auf eine Vorschrift im deutschen Arbeitsschutz berief und eine Kontrolle von Vertrauensarbeitszeit vorzuschreiben schien. Dabei habe nach ihren Informationen die EU-Kommission nur knapp von einem Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Umsetzung der Brüsseler Vorgaben hierzu abgesehen. Vorerst hätten die deutschen Betriebe damit einen größeren Spielraum für das "Wie" der Umsetzung der juristischen Vorgaben. Nicht äußern wollte sich die oberste Arbeitsrichterin dazu, wie solche Regeln für "Geistesarbeiter" wie etwa Wissenschaftler ausgestaltet werden könnten. In eigener Sache rechnet sie für Ende 2025 mit dem Abschluss eines Forschungsprojekts zu "personellen und inhaltlichen Kontinuitäten aus der Zeit des Nationalsozialismus".

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 28. Februar 2024.