AGG-Hopping 2.0: Keine Entschädigung für Bewerber auf Stelle als "Sekretärin"
© goodluz / stock.adobe.com

Ein Wirtschaftsrechtsstudent bewarb sich erfolglos auf eine Stelle als "Sekretärin" und verlangte dann eine AGG-Entschädigung. Die bleibt ihm aber wegen Rechtsmissbrauchs versagt, da er solche Bewerbungen systematisch und zielgerichtet betrieb, um Entschädigungen zu generieren, bestätigte das BAG.

Ein etwa 30-jähriger Mann, gelernter Industriekaufmann, der nach eigenen Angaben Wirtschaftsrecht im Fernstudium studierte, bewarb sich auf eine Stellenanzeige, in der ausdrücklich eine "Bürokauffrau/Sekretärin" gesucht wurde. Eine Reaktion des Unternehmens bekam er nicht, die 170 km von seinem Wohnort entfernte Stelle ging an eine Frau. Er klagte daraufhin auf eine Entschädigung von 6.000 Euro nach dem AGG wegen Diskriminierung aufgrund seines Geschlechts. Das AGG verlangt, dass Stellen geschlechtsneutral ausgeschrieben werden. Wird dagegen verstoßen, wird eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermutet. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot eine Entschädigung verlangt werden.

Allerdings hatte sich der Mann zuvor schon in verschiedenen Bundesländern auf zahlreiche nicht geschlechtsneutral ausgeschriebene Stellen als "Sekretärin" beworben und nach seiner Ablehnung Zahlung einer AGG-Entschädigung verlangt. In einem Fall stellte das ArbG Berlin 2022 fest, dass allein bei ihm innerhalb von 15 Monaten elf Klagen des Mannes aufgrund einer behaupteten Benachteiligung wegen des Geschlechts gelandet sind. Die Bewerbungsschreiben waren standardisiert und ähnlich wie im konkreten Fall formuliert, enthielten aber auch die Nachfrage, ob tatsächlich "ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau" gesucht wird, was verschiedene Unternehmen bestätigten – woraufhin der Mann eine Entschädigung gefordert hatte. Das LAG Schleswig-Holstein hatte ihm in einem Fall eine Entschädigung zuerkannt.

Im konkreten Fall blieb der Mann in allen Instanzen ohne Erfolg. Das LAG Hamm verneinte eine Entschädigung wegen Rechtsmissbrauchs, da der Mann gar kein Interesse an der Stelle gehabt, sondern sich nur beworben habe, um – nach seiner Ablehnung – eine Entschädigung zu erlangen. Er sei systematisch und zielgerichtet vorgegangen, um sich einen auskömmlichen Gewinn durch Entschädigungen "zu erarbeiten". Das BAG bestätigte das LAG und wies die Revision des Mannes zurück (Urteil vom 19.09.2024 8 AZR 21/24). Die Würdigung des LAG sei nicht zu beanstanden, so das BAG.

"Geschäftsmodell in zweiter Generation"

Das LAG habe sich unter anderem darauf gestützt, dass der Bewerber trotz der Entfernung von 170 km nicht bereit gewesen sei umzuziehen. Seine Angaben im Bewerbungsschreiben seien widersprüchlich. Außerdem habe er auch gegenüber Unternehmen in Schleswig-Holstein, Berlin, Hagen, Hamburg, Nagold und Düsseldorf angegeben, "gerade" nach Wohnungen in der Nähe zu suchen. Ferner seien seine Bewerbungen wenig aussagekräftig und die Angaben teils ohne Bezug zur Stellenausschreibung gewesen, sodass sie auf Ablehnung angelegt gewesen seien.

Zudem habe das LAG als zentralen Aspekt angeführt, dass der Mann die Bewerbungen als Geschäftsmodell praktiziert und dieses zu einem "Geschäftsmodell in zweiter Generation" weiterentwickelt habe. Denn er habe seine Bewerbungen im Laufe der Zeit den Erkenntnissen aus Entschädigungsprozessen angepasst. Dabei sei es ihm erkennbar nur darum gegangen, mögliche formelle Indizien für einen Rechtsmissbrauch zu eliminieren, während er seine Bewerbung bewusst weiter auf möglichst aussichtslosem Niveau gehalten habe.

BAG, Urteil vom 19.09.2024 - 8 AZR 21/24

Redaktion beck-aktuell, hs, 18. Dezember 2024.