AGG-Hopping 2.0: Jurastudent bewirbt sich mehrfach als "Sekretärin"
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Ein Jurastudent, der mehrfach erfolglos auf eine AGG-Entschädigung geklagt hatte, perfektionierte seine Bewerbungsmethode immer weiter. Doch selbst auf Bewerbungen als Sekretärin bekommt der Mann keine AGG-Entschädigung: Das LAG Hamm stuft sein "Geschäftsmodell 2.0" als rechtsmissbräuchlich ein.

Der junge Mann, der in zweiter Instanz nun auch beim LAG Hamm keine Entschädigung nach dem AGG bekommt, gab vor Gericht an, Wirtschaftsjura zu studieren. In seiner Bewerbung hatte das allerdings nicht gestanden: Er hatte sich auf eine ausgeschriebene Stelle als "Bürokauffrau/Sekretärin" in einer 170 km entfernten Stadt beworben. In seinem Anschreiben ging er auf die Anforderungen der Stelle nur rudimentär ein und erklärte lediglich, sieben Jahre Berufserfahrung in dem Bereich und eine abgeschlossene Ausbildung als Industriekaufmann zu haben. Zeugnisse oder Ähnliches reichte er nicht ein, sein Anschreiben enthielt Rechtsschreib- und Grammatikfehler, die ihn als Bürokraft sofort disqualifizierten. Er bekam keine Rückmeldung, die Stelle wurde mit einer Frau besetzt.

Daraufhin verklagte er die ausschreibende Firma vor dem ArbG Dortmund auf eine Entschädigung wegen Diskriminierung als Mann. Während des Verfahrens kam heraus, dass er bundesweit bereits eine Vielzahl gleicher Verfahren angestrengt hatte – alle nach demselben Muster, alle gerichtet auf eine Entschädigung nach dem AGG. Sowohl das ArbG als nun auch das LAG Hamm (Urteil vom 05.12.2023 – 6 Sa 896/23) wiesen seine Klage nun als rechtsmissbräuchlich ab.

Geschäftsmodell: Rechtsmissbrauchsmerkmale gezielt minimiert

Das LAG Hamm verneinte seinen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG. Die Vorschrift gewährt einen Anspruch auf Zahlung von maximal drei Monatsgehältern bei Nichteinstellung wegen Benachteiligung nach einem der Kriterien des AGG. Doch trotz des evidenten AGG-Verstoßes in den Stellenausschreibungen, die explizit auf eine weibliche Sekretärin abzielten, verneint das LAG eine Entschädigung: Der Student habe sich gezielt missbräuchlich in den Bewerberstatus nach § 6 Abs. 1 S. 2 AGG gebracht, um anschließend eine Entschädigung wegen Benachteiligung als Mann zu fordern. Das treuwidrige Verhalten, um sich diese Rechtsposition zu verschaffen, begründe eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB.

Die Hammer Richterinnen und Richter begründen ihre Entscheidung mit dem systematischen und zielgerichteten Vorgehen des Jurastudenten: So habe er sich nur auf Stellen beworben, die entgegen den Vorgaben des AGG geschlechtsspezifisch ausgeschrieben waren. Sein Vollzeitstudium Wirtschaftsrecht lasse, auch wenn im Fernstudium absolviert, eine Erwerbstätigkeit in Vollzeit auch gar nicht zu. Seine Bewerbung mit den Rechtsschreibfehlern und ohne aussagekräftige Unterlagen sei so ausgestaltet gewesen, dass sie nicht zum Erfolg führen könne, die Gründe für eine Absage würden geradezu auf dem "Silbertablett präsentiert", so die 6. Kammer.

Dass der Mann auch subjektiv rechtsmissbräuchlich handelte, schließt das LAG Hamm daraus, dass er sich der dezidiert mit der Rechtsprechung auseinandergesetzt hatte und sein Verhalten entsprechend änderte. Während er die Bewerbungsunterlagen bewusst untauglich belassen habe, habe er seine Bewerbungen im Laufe der Jahre der Rechtsprechung zum AGG-Hopping angepasst. Er habe im Verfahren praktisch ausschließlich rechtlich argumentiert, tatsächlichen Vortrag sei er hingegen stets schuldig geblieben. So habe er zum Beispiel nie erklärt, warum er gut geeignet wäre für eine der Stellen, auf die er sich beworben hatte. Stattdessen habe er nach mehreren in der Vergangenheit verlorenen AGG-Verfahren gezielt genau die Rechtsmissbrauchsmerkmale sukzessiv verringert, die die Gerichte ihm vorgehalten hatten. "Ergebnis ist ein ‚Geschäftsmodell‘, das sich mittlerweile in der zweiten Generation befindet", heißt es im Urteil.

LAG Hamm, Urteil vom 05.12.2023 - 6 Sa 896/23

Redaktion beck-aktuell, rw, 31. Januar 2024.