Sieben Personen aus dem antifaschistischen Milieu haben sich am Montag den Polizeibehörden gestellt. Ihnen wird vorgeworfen, an Angriffen auf Rechtsextremisten im Februar 2023 in Budapest beteiligt gewesen zu sein. Aus diesem Grund wird nach Auskunft ihrer Anwältinnen und Anwälte sowohl in Deutschland als auch in Ungarn u. a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und gefährlicher Körperverletzung ermittelt. In beiden Ländern sind Haftbefehle gegen sie erlassen worden.
Wie die Bundesanwaltschaft auf beck-aktuell-Anfrage mitteilte, sind sechs der Personen am Montag auf Grund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des BGH festgenommen worden. Nach Informationen der dpa befand sich am Dienstag jedoch nur eine Person aufgrund eines Haftbefehls eines Ermittlungsrichters am BGH in Untersuchungshaft.
Den sieben Menschen im Alter von 21 bis 27 Jahren, die bislang untergetaucht waren, wird vorgeworfen, an Angriffen auf Rechtsextremisten unterschiedlicher Nationalität in der ungarischen Hauptstadt am jährlich stattfindenden "Tag der Ehre" beteiligt gewesen zu sein. Die Beschuldigten wollten sich nun in Deutschland gegen die Vorwürfe verteidigen, ließen ihre Verteidigerinnen und Verteidiger am Montag in einer gemeinsamen Presseerklärung wissen. Daher hätten sie sich trotz drohender Auslieferung nach Ungarn den Ermittlungsbehörden gestellt. In Ungarn drohten ihnen Strafverfahren, die rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genügten, zudem seien die Haftbedingungen dort "menschenunwürdig", heißt es in der Erklärung.
Abschiebung wie bei Maja T.?
Ein Beispiel hierfür soll Maja T. sein, eine non-binäre Person, die seit Monaten laut ihrem Anwalt unter prekären Bedingungen in ungarischer Untersuchungshaft sitzt. T. war im Sommer 2024 wegen Vorwürfen in der gleichen Angelegenheit in einer Nacht-und-Nebel-Aktion über Österreich nach Ungarn ausgeliefert worden. Die Abläufe in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni stellten T.s Anwälte so dar, dass sie noch in der Nacht gegenüber dem LKA Sachsen erklärt hätten, gegen die Auslieferung Verfassungsbeschwerde nebst Eilantrag einlegen zu wollen. Die GenStA Berlin bestritt dies seinerzeit. T. wurde damals binnen weniger Stunden nach Ungarn gebracht, noch bevor am nächsten Morgen eine einstweilige Anordnung des BVerfG erging, mit der es die Auslieferung vorerst untersagte (Beschluss vom 28.06.2024 - 2 BvQ 49/24). T. sitzt heute immer noch in ungarischer Untersuchungshaft, nach der nun erhobenen Anklage könnten laut einem Bericht der TAZ bis zu 24 Jahre Haft verhängt werden.
Schlechte Haftbedingungen, rechtsstaatlich fragwürdige Verfahren, drakonische Strafen: All das droht auch den sieben nun vorerst festgenommenen Personen, wenn man ihrer Verteidigung glauben darf. In dem Statement erklärt diese zudem, man habe sich bereits vor einem halben Jahr mit der Bundesanwaltschaft in Verbindung gesetzt und angeboten, dass sich die Mandantinnen und Mandanten stellen würden, wenn man ein Verfahren in Deutschland zusichere. Die Behörde habe ein Gespräch darüber jedoch mehrfach abgelehnt. "Die Bundesanwaltschaft kann eine Auslieferung verhindern, indem sie das Strafverfahren in Deutschland führt" schreiben die Anwältinnen und Anwälte.
Dass die Karlsruher Ermittlungsbehörde kein Interesse daran habe, liegt nach Auffassung der Verteidigung nicht zuletzt an der Hoffnung, die Drohkulisse für sich nutzen zu können: "Die Bundesanwaltschaft macht deutlich, dass sie die abschreckende Wirkung jahrelanger Untersuchungshaft in Ungarn und maßloser ungarischer Verurteilungen will", heißt es in dem am Montag verbreiteten Statement. "Sie nimmt dabei in Kauf, dass das rechtsautoritäre ungarische Regime europarechtliche Vorgaben unverhohlen ignoriert und den Rechtsstaat systematisch aushöhlt."
Will Bundesanwaltschaft mit Drohkulisse zum Geständnis drängen?
Der Hamburger Rechtsanwalt und Strafverteidiger Matthias Wisbar, der zum Verteidiger-Team gehört, verweist dazu im Gespräch mit beck-aktuell auf eingefrorene EU-Gelder wegen rechtsstaatlicher Mängel in Ungarn und die Entscheidung eines italienischen Gerichts, einen Staatbürger nicht nach Ungarn auszuliefern, da Zweifel an einem rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren bestünden. Ob eine Auslieferung der Beschuldigten nach Ungarn verhindert werden kann, ist in seinen Augen offen, aber es gebe "einige Aspekte, die man da zu bedenken haben wird". Die Verteidigung werde "alles in ihrer Macht Stehende tun, um das zu verhindern", so Wisbar.
Hinsichtlich des Vorwurfs an die Bundesanwaltschaft, diese nutze die Abschreckungswirkung der möglichen Abschiebung nach Ungarn für sich, führt Wisbar aus, im Rahmen eines informellen Gesprächs sei ein Geständnis als Voraussetzung für Überlegungen über eine Nichtauslieferung genannt worden. Die Ermittlungsbehörde wolle mit der Drohkulisse der Abschiebung eindeutig Druck aufbauen. Auf Anfrage von beck-aktuell teilte die Bundesanwaltschaft am Dienstag mit, man werde sich zu etwaiger Kommunikation mit anderen Verfahrensbeteiligten "grundsätzlich nicht äußern".
Warum sich die jungen Menschen trotz dieses Risikos gestellt haben, erklärt Verteidiger Wisbar so: "Zum einen werden Vorwürfe erhoben, denen entgegengetreten werden muss. Zum anderen sind es alles junge Leute, die sich zwei Jahre lang verborgen haben." Sie wollten nun "die Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnen" und gleichzeitig Vorwürfen wie dem des versuchten Mordes widersprechen, die aus Sicht der Verteidigung "nicht haltbar" seien.